Vom „festen Haus“ zum Gotteshaus / Foto: Steinbichler

Die Bucklige Welt ist nicht nur für ihre Burgen, sondern für eine weitere kulturhistorische Besonderheit bekannt: die Wehrkirchen. Mit zunehmender Gefahr feindlicher Überfälle aus dem Osten wurden ab dem 15. Jahrhundert die aus Stein gemauerten Kirchen zu befestigten Wehrbauten umgebaut. Sie dienten den bedrohten Dorfbewohnern als Zufluchtsort. Die Überlieferungen vom „Kuruzzenrummel“ im Jahr 1708 rund um die Bad Schönauer Wehrkirche erzählen besonders eindrücklich von dieser schweren Zeit.

Damals boten die strohgedeckten Holzhäuser der Bauern kaum Schutz vor den immer wieder plündernd und sengend ins Land einfallenden Ungarn, Türken oder Kuruzzen. In Orten ohne schützende Festung war die Kirche oft das einzige massiv aus Stein errichtete Bauwerk. Bis heute finden sich an vielen Kirchen der Region typische Bauteile wie Wehrmauern und -tore, Schießscharten und Pecherker. Oft wurde ein Wehrgeschoss im Dachraum über dem Kirchenschiff eingerichtet, mit Blockkammern und Verstecken für die Kirchenschätze. Mancherorts zeugen Besonderheiten wie Zisternen unter dem Boden oder Back-öfen im Obergeschoss von einer Zeit, in der die Kirchen zahlreiche Schutzsuchende oft über mehrere Tage beherbergen mussten. Die trutzige Kirche in Bad Schönau konnte diesen wehrhaften Charakter bis heute erhalten.

Wovon die Bad Schönauer Wehrkirche erzählen kann

Ihre Gründung liegt über 900 Jahre zurück und bildet den Ursprung des Ortes, der erst nur Schönau und ab 1850 Schönau im Gebirge hieß. Erst nach Auffindung einer Heilquelle und der Etablierung als Kurort erfolgte 1954 die Umbenennung in Bad Schönau. Um 1120 wurde auf einer Geländekuppe über dem Ort ein „Festes Haus“ errichtet – ein befestigter Wohnturm, der zur Bewachung des Schlosses Krumbach als Vorposten gegen Osten diente. 1313 wurde das feste Haus von der Herrschaft Krumbach an Ulrich von Pillichsdorf verkauft, der wenig später aus dem Wehrbau eine eigene Kirche machte. Diese blieb weiterhin wehrhaft ausgestattet, mit Schießscharten, (später abgetragenen) Pecherkern und Wehrobergeschoss. Der heutige Pfarrhof wurde um 1320 als neuer Wohnturm für Burgherren und Pfarrer errichtet – lange Zeit wurde dieser als das erste feste Haus von Schönau angesehen.

Um 1400 wurden prächtige Fresken im Inneren und ein großes Christophorus-Fresko an der Außenwand angebracht, die erst vor 34 Jahren wiederentdeckt wurden. Schon wenig später musste sich die Wehrkirche immer wieder gegen feindliche Angriffe wehren: erst gegen Söldner der „Mährischen Brüder“, dann gegen Ungarn, 1683 schließlich gegen die Türken. Der Wehrbau konnte vermutlich damals nicht gehalten werden, Altar und Kirchendach wurden zerstört oder gingen in Flammen auf.

Die nächste Bedrohung ließ nicht lange auf sich warten. Ihre Geschichte ist weit besser überliefert und wohl jedem im Ort bekannt: Im Sommer 1703 kam es zu einem Aufstand der Kuruzzen. Die ungarischen, antihabsburgisch gesinnten Rebellen überfielen den Osten Österreichs und drangen bis nach Wien vor – hier wurde zur Abwehr der Linienwall (heute der Gürtel) errichtet. Ein Heer von 8.000 Mann zog Ende Mai 1708 gegen Schloss Krumbach, auf dem der kaisertreue Graf Pálffy saß. Die Kuruzzen versuchten dabei auch die Wehrkirche zu erobern, in der die Schönauer Schutz suchten. Die Wehrmauer war bald überstiegen, die Kirche belagert, Frauen und Kinder flüchteten über den schmalen Aufstieg ins Wehrgeschoss. Als die Angreifer in der Sakristeitür eine Schwachstelle entdeckten und diese aufbrechen wollten, hatten die Eingeschlossenen nach drei Tagen Belagerung nur eine Wahl: Überraschend brachen sie am 1. Juni 1708 gleichzeitig aus allen Toren und gingen mit dem Mut der Verzweiflung auf die Belagerer los. Die Opferzahl unter den Verteidigern war hoch, dennoch gelang es, die Angreifer in die Flucht zu schlagen.

Die Geschichte der Kirche im Licht der Gegenwart

Heute mahnt an den Kuruzzenüberfall eine Gedenktafel an der Kirche, auf der Namen und Alter der 28 gefallenen Schönauer verewigt sind. Außerdem erinnert tägliches Glockenläuten an die Gefallenen – ein Brauch, der sich über 300 Jahre lang gehalten hat. Die eindringlichsten Spuren der Erinnerung an die Belagerung finden jedoch nur aufmerksame Beobachter: An der mit Eisenplatten verkleideten Tür zur Sakristei sind immer noch die Axthiebe der Kuruzzen zu sehen – tiefe Schnitte durchziehen das Metall rund um das Türschloss. Die Kirche selbst blieb über die folgenden Jahrhunderte weitgehend in ihrem wehrhaften Zustand erhalten, der Dachstuhl stammt noch aus 1713 – eingeschnitzte Jahreszahlen zeugen bis heute davon.

Das Wehrgeschoss existiert ebenfalls noch, ist aber nicht öffentlich zugänglich – unser Fotograf durfte aber für die Leser des „Boten“ eine exklusive Entdeckungsreise dorthin unternehmen. Seit dem Neubau der größeren Marienkirche 1968 wird die kleine alte Kirche nur für besondere Anlässe wie Taufen und Hochzeiten genutzt. Und auch auf andere kunstvolle Weise gelingt es, zeitgemäßes Licht auf die Wehrkirchen der Buckligen Welt zu werfen: Das Projekt „Slow Light“ (siehe Seite 6) sorgt seit heuer für eine stimmungsvolle Kirchenbeleuchtung.

Aufruf
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Fotos: Steinbichler