Droh­nen­flug über die Wehr­kir­che / Fotos: Stein­bich­ler (7), Ruprecht (2)

Die Wehr­kir­chen der Buck­li­gen Welt sind eine Beson­der­heit der Regi­on und erzäh­len viel über deren Ver­gan­gen­heit. Denn nicht immer war das sanf­te Hügel­land so fried­voll wie heu­te: Jahr­hun­der­te­lang war es als Grenz­land umkämpft. Ungarn, Tür­ken und Kuruz­zen bedräng­ten die ein­fa­chen Bau­ern­dör­fer, und daher muss­ten die fest gemau­er­ten Kir­chen eine Wehr­funk­ti­on über­neh­men. Die Not dro­hen­der Bela­ge­run­gen mach­te damals erfin­de­risch: So wur­de etwa der Kirch­turm in Lich­ten­egg mit einem Back­ofen ausgestattet.

Die Lich­ten­eg­ger Pfarr­kir­che zum Hl. Jako­bus der Älte­re wur­de vor 1282 errich­tet und bestand damals aus einem roma­ni­schen Lang­haus mit einer Holz­bal­ken­de­cke und dem Chor­qua­drat mit dar­über­lie­gen­dem gedrun­ge­nen Turm. Aus der Zeit um 1400 sind ein­drucks­vol­le Fres­ken erhal­ten, die groß­teils hin­ter dem Hoch­al­tar ver­bor­gen lie­gen. Tei­le der Fres­ken wur­den zer­stört, als 1483 eine kunst­voll gestal­te­te goti­sche Sakra­ments­ni­sche ein­ge­baut wur­de. Anfang des 15. Jahr­hun­derts bekam nicht nur der Chor ein neu­es und präch­ti­ges fres­ken­ver­zier­tes Stern­rip­pen­ge­wöl­be, son­dern auch der Aus­bau zur Wehr­kir­che wur­de in Angriff genom­men. Die­se Bau­ten fin­det man in ganz Euro­pa. Die Bevöl­ke­rung der Buck­li­gen Welt reagier­te auf die Bedro­hung durch tür­ki­sche Heer­scha­ren rund um 1529 und 1683 sowie durch jene auf­stän­di­scher unga­ri­scher Kuruz­zen um 1700. In den befes­tig­ten und für Bela­ge­run­gen aus­ge­stat­te­ten Wehr­kir­chen such­te die Dorf­be­völ­ke­rung Zuflucht. Denn anders als die stroh­ge­deck­ten Bau­ern­häu­ser aus Holz hiel­ten die stei­ner­nen Got­tes­häu­ser den Erobe­rern bes­ser stand.

Von der Dorf­kir­che zum Wehrbau

So wur­de auch in Lich­ten­egg die trut­zi­ge und mas­siv gebau­te Pfarr­kir­che zur Fes­tung aus­ge­baut: Der Hof rund um die Kir­che wur­de mit Wehr­mau­ern umge­ben. Die­se waren mit Schieß­schar­ten, Zin­nen und höl­zer­nen Wehr­gän­gen ver­se­hen; die dafür erfor­der­li­chen Bal­ken­lö­cher sind immer noch vor­han­den. An den Ecken der Mau­er befan­den sich Rund­tür­me, von denen aus die Flan­ken bes­ser ver­tei­digt wer­den konn­ten – zwei davon sind heu­te noch vor­han­den. An der Kir­che selbst wur­de der Turm erhöht und unter dem stei­len Sat­tel­dach ein Wehr­ober­ge­schoss mit einem (heu­te nicht mehr vor­han­de­nen) Guss­er­ker ein­ge­baut. Denn soll­ten die Wehr­mau­ern ein­mal erobert sein, stell­te der Flucht­raum im Kir­chen­dach die letz­te Hoff­nung der Ver­tei­di­ger dar. Durch hoch­zieh­ba­re Lei­tern war das Wehr­ober­ge­schoss nahe­zu unein­nehm­bar, mit Haken­büch­sen, ein­fa­chen Waf­fen, hei­ßem Pech oder Stei­nen muss­te die­ser Rück­zugs­ort ver­tei­digt wer­den. Den Schutz­su­chen­den – Frau­en, Kin­dern und Alten – blie­ben dann oft nur noch das Aus­har­ren, Hof­fen und Beten.

Auch wenn der Wehr­kir­che in Lich­ten­egg das Schick­sal solch einer Bela­ge­rung oder Erobe­rung womög­lich durch ihre abge­schie­de­ne Lage auf der Hoch­ebe­ne erspart blieb: Mit dem gut aus­ge­bau­ten Wehr­ober­ge­schoss wäre sie bes­tens gerüs­tet gewe­sen. Und steigt man von dort über eine stei­le Trep­pe in die Turm­stu­be, fin­det man eine wei­te­re Beson­der­heit, die dafür­spricht. Hin­ter dem ticken­den Turm­uhr­werk steht tat­säch­lich ein gemau­er­ter Back­ofen! Damit soll­te wohl in Zei­ten der Bela­ge­rung die Ver­sor­gung mit fri­schen Spei­sen und Brot gewähr­leis­tet werden.

Der gemau­er­te Ofen besteht aus einem kup­pel­ar­ti­gen Heiz­raum und einer Koch­stel­le mit aus­ra­gen­dem Feu­er­hut. Die­se Bau­art sowie die Funk­ti­ons­wei­se des Rauch­ab­zu­ges durch geöff­ne­te Fens­ter oder Spal­ten in der Decke fand man frü­her auch in bäu­er­li­chen Rauch­stu­ben­häu­sern. Der Back­ofen dürf­te auch ohne Bela­ge­rung in Ver­wen­dung gewe­sen sein, denn die Wän­de und die Holz­de­cke rund­her­um sind ruß­ge­schwärzt. Die­ser Zustand führ­te womög­lich auch dazu, dass die Turm­stu­be mit dem Ofen auch in der Sage des „Bru­der­kamp­fes“ zwi­schen Chris­toph und Eras­mus von Puch­heim eine Rol­le spielt. Letz­te­rer soll ein Ver­steck vor sei­nem ver­fein­de­ten Bru­der gesucht und in der „Eras­mus­stu­be“ gefun­den haben. Eine roman­ti­sche Vor­stel­lung – auch wenn der his­to­ri­sche Kern der Sage nach­weis­lich erfun­den ist.

“Eras­mus­stu­be mit Uhr­werk und Ofen”

Ent­de­ckungs­rei­se unter und über dem Dach

Der Besuch die­ser Kir­che stell­te für unse­ren Foto­gra­fen Mar­kus Stein­bich­ler wie­der eine beson­de­re Rei­se in die Ver­gan­gen­heit der Regi­on dar. Er trat die­se gemein­sam mit dem Hei­mat­for­scher Roman Lech­ner aus Lich­ten­egg an – der nicht nur wah­rer Wehr­kir­chen­ex­per­te, son­dern auch „Vater“ der Wehr­kir­chen­stra­ße durch die Buck­li­ge Welt ist. Er zeig­te Stein­bich­ler alle Kunst­schät­ze, erklär­te die Bau­pha­sen und Wehr­funk­tio­nen ganz genau und öff­ne­te ihm alle Türen im Wehr­ober­ge­schoss unter dem Kir­chen­dach – dar­un­ter auch eine schma­le Luke im Holz­bo­den der Turm­stu­be, wo nur eine schma­le Lei­ter in einen dunk­len, fens­ter­lo­sen Raum führt. Ohne Kame­ra, aber mit Taschen­lam­pe zwäng­te sich unser Foto­graf in die Tie­fe, wo er auf dem Rücken des Chor­ge­wöl­bes lan­de­te. Der ver­bor­ge­ne Raum war frü­her viel­leicht als Ver­steck für Kost­bar­kei­ten oder als Vor­rats­kam­mer gedacht. Ein paar Tage nach die­ser Ent­de­ckungs­rei­se bekam Stein­bich­ler wei­te­re Unter­stüt­zung für die­se „Buck­li­ge Zeit­rei­se“. Dies­mal, um eine ande­re Per­spek­ti­ve auf die Wehr­kir­che zu bekom­men – näm­lich von oben: Alex­an­der Ruprecht aus Sti­ckel­berg fer­tig­te Droh­nen­fo­tos zu die­sem Bei­trag an, auf denen man das statt­li­che Got­tes­haus aus der Vogel­schau betrach­ten kann. Auch die Wehr­mau­ern mit den bei­den Rund­tür­men kann man dar­auf erken­nen. Für wei­te­re beein­dru­cken­de Droh­nen­auf­nah­men aus der Regi­on emp­fiehlt es sich, Ruprecht auf Face­book
und Insta­gram unter @protogane zu fol­gen: Hier fin­det man atem­be­rau­ben­de Bil­der von idyl­li­schen Land­schaf­ten, Rui­nen, Bur­gen und Kir­chen unse­rer schö­nen Region.

Auf­ruf: 

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