Fotos (8), Repro: Markus Steinbichler

Wer in die beschauliche Ortschaft Thernberg kommt, wird von seinem vielleicht prominentesten Bewohner aller Zeiten begrüßt: Erzherzog Johann von Österreich ist auf mehreren Tafeln abgebildet. Diese informieren über eine Dauerausstellung über sein Werken und Wirken (nicht nur) im Ort. Etwas außerhalb versteckt sich ein interessantes Gebäude, das eine ganz eigene Geschichte über die Zeit des Habsburgers und die Geschmäcker des damaligen Stils der Romantik erzählt: der mächtige „Gotische Hof“ – einst der Meierhof der Herrschaft.

Erzherzog Johann Baptist Josef Fabian Sebastian von Österreich wurde am 20. Jänner 1782 als Spross des Hauses Habsburg in Florenz geboren. Wie für viele Söhne des Kaiserhauses war auch für ihn eine militärische Laufbahn vorgesehen, er wurde österreichischer Feldmarschall. Daneben entwickelte Johann schon früh vielseitige Interessen rund um die Themen Natur und Technik.

Weithin bekannt ist er dafür, dass er sich in der Steiermark in die Ausseer Postmeisterstoch-ter Anna Plochl verliebte und diese Bürgerliche wenig standesgemäß 1829 auch heiratete. Dafür wurde er von der Thronfolge ausgeschlossen, sein Nachkomme durfte keinen Adelstitel führen.

In der Steiermark förderte Johann als fortschrittlicher Geist über ein halbes Jahrhundert lang Industrie, Landwirtschaft, Eisenbahnwesen sowie Kultur und Bildung.

Zuvor jedoch verbrachte der Erzherzog von Österreich 21 Jahre in Thernberg und hinterließ auch hier viele Spuren seiner beeindruckenden, vielfältigen und weitreichenden Schaffenskraft.

Ein verstecktes Stück Neogotik in Österreich

1807 erwarb der Adlige hier die Herrschaft mit ihrer prächtigen Burg- und Schlossanlage auf der Hohen Wacht, dem Amtshaus im Ort, mehreren Besitzungen wie dem Stanghof und umfangreichen land- und forstwirtschaftlichen Flächen. In der Zeit bis 1828, die Johann hier weilte, hinterließ er beachtliche Andenken: Aus den Gutshöfen machte er landwirtschaftliche Musterbetriebe, beim Amtshaus wurde eine Schule für Pomologie (Obstbaukunde) eingerichtet. Im Schloss ließ er seine Sammlungen ordnen – der Grundstock für das heutige Grazer Joanneum. Außerdem war er Mitglied der „Wildensteiner Ritterschaft auf Blauer Erde“ auf Burg Seebenstein, einer Vereinigung, die die Ritterromantik feierte. Diese kulturgeschichtliche Epoche zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte auch einen eigenen Baustil, der vor allem bei Adligen beliebt war: die Neogotik, bei der Schloss- und Kirchenbauten alte gotische Stilelemente wie Spitzbögen, Kreuzrippengewölbe, Maßwerkfenster und aufwendige Steinmetzarbeiten erhielten. Bekannte Bauwerke in diesem Stil sind die Votivkirche und das Rathaus in Wien oder die Franzensburg in Laxenburg. Diese ließ Erzherzog Johanns Bruder, Kaiser Franz I., als ritterlichen Landsitz nahe der Residenzstadt errichten. Die Neogotik sollte übrigens in Zeiten der zunehmend bedrohten Macht des Adels an die historische Größe der stolzen Vorfahren im Mittelalter anknüpfen.

Auch Erzherzog Johann machte schon früh bei dieser aus England importierten Modeerscheinung mit. So kommt es, dass am Thernberger Meier- oder Moarhof (etwas außerhalb des Ortes an der Straße nach Eichberg und Lichtenegg gelegen) einige der frühesten neogotischen Gestaltungselemente Österreichs verbaut wurden. Er wird daher auch „Gotischer Hof“ genannt; unter seinem mächtigen Dach waren einst Ställe, Scheunen, Getreidelager und „Gesindewohnungen“ untergebracht.

Blick auf den Wald

Fährt man flüchtig vorbei, wird man nur wenig von der gotischen Pracht erkennen, denn die Spitzbogenportale der Stalltüren liegen gut verborgen im Innenhof der Dreiflügelanlage. Und die frühere „Schauseite“ des Hofes mit den beiden monumentalen, die Seitentrakte hoch überragenden Blendmaßwerkgiebeln und den vier Rinderköpfen weist aus heute unerfindlichen Gründen zum bewaldeten Hang auf seiner Rückseite. Früher jedoch führte dort ein Fahrweg zum Schloss, zudem war es hier weitgehend baumlos, sodass man vom Schloss aus (jedenfalls von der Aussichtswarte, die Johann im Bergfried der alten Burg errichten ließ) den prachtvollen Hof bestaunen konnte. Der Blick fiel damals auch auf eine dahinterliegende Parkanlage in der Hofau, mit Weihern, Wasserkaskaden und botanischen Raritäten – all das ist inzwischen spurlos verschwunden. Ende des 19. Jahrhunderts, lange nach Erzherzog Johanns Zeiten, wurde der Meierhof als Cholera-Spital zweckentfremdet, was bei den weiten und hohen Tonnengewölben und der Lage abseits des Dorfes allerdings gut nachvollziehbar ist.

Die Erzherzog-Johann-Doku im Mesnerhaus

Wieder zurück im Ort, lädt ein weiteres sehenswertes, his-torisches Gebäude dazu ein, mehr über die Zeit des großen Habsburgers in Thernberg zu erfahren: Im ehemaligen Bader- und Mesnerhaus – einem Gebäude aus der Barockzeit, das heute als Veranstaltungszentrum für die Dorfgemeinschaft dient – nimmt die Erzherzog-Johann-Dokumentation ihren Anfang. Hier wird die interessante und viele Jahrhunderte zurückreichende Geschichte des Orts samt seiner mächtigen Burg- und Schlossanlage erzählt. Der Pfarrhof nebenan, zweite Station der lehrreichen Schau unter dem Motto „Erzherzog Johann – volksverbunden, zukunftsweisend“, zeigt eine umfassende Beschreibung des Lebens und Wirkens des Erzherzogs sowie seiner beeindruckenden Leistungen und Hinterlassenschaften. Der dritte Teil der Ausstellung führt die Besucher ein Stück weiter in die nahe gelegene und sehenswerte, im Kern romanische Pfarrkirche, die etliche Schenkungen des Erzherzogs beheimatet: mehrere Gemälde, Statuen und ein großes Kruzifix. Die Erzherzog-Johann-Dokumentation kann vom letzten Sonntag im Mai bis zum 26. Oktober, sonn- und feiertags von 13 bis 17 Uhr besichtigt werden.

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