Die „Annakirche“ / Fotos: Markus Steinbichler (8), Alexander Ruprecht

Denkt man an ganz regionstypische Orte mit Geschichte, so fallen einem wohl schnell die in der Buckligen Welt einmaligen Wehrkirchen ein. Sie erzählen von einer Zeit, als das Grenzland zu Ungarn unsicher war und die Menschen Schutz hinter dicken Mauern suchen mussten. Auch in Wiesmath steht eine solche Kirche mit Wehrobergeschoss und Guss-Erkern. Nur einen knappen Kilometer entfernt steht eine zweite Kirche, die einen friedlicheren Hintergrund hat: die weithin sichtbare Wallfahrtskirche St. Anna am sogenannten Annaberg. 

Die Bucklige Welt ist bekannt für ihre Wehrkirchen: Beinahe in jedem Ort wurden die Kirchen ab dem 15. Jahrhundert als kleine Festungen ausgebaut, um den Dorfbewohnern Schutz gegen einfallende Feinde wie Ungarn, Türken oder Kuruzzen zu bieten. Meist geschah dies vor allem dort, wo keine schützende Burg in unmittelbarer Nähe war. Kirchen wurden deshalb ausgebaut, weil sie – anders als die strohgedeckten Holzhäuser – Sicherheit hinter starken Mauern boten. Zu diesem Zweck wurden sie mit Schießscharten, Guss-Erkern, Wehrmauern und ganzen Wehrobergeschoßen im Dachboden ausgebaut – der letzte Rückzugsort im Falle einer Belagerung. Viele der Kirchen in der Buckligen Welt weisen diese Merkmale einer Wehrkirche bis heute auf. Entlang der Wehrkirchenstraße quer durch die Region sind insgesamt 18 Kirchen mit ihren jeweiligen Besonderheiten zu besichtigen. Eine Wehrkirchen-Dokumentation in Edlitz liefert als idealer Startpunkt viel Wissenswertes über diese baukulturelle Besonderheit. Eine bis heute als solche erkennbare Wehrkirche steht auch im Zentrum von Wiesmath.

Wehrkirche 

Die Wehr- und Pfarrkirche St. Peter und Paul hat ihre Ursprünge vermutlich sogar in einem „festen Haus“ aus der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts. So wurden im Mittelalter kleine Festungsbauten aus Stein genannt, die sich von den übrigen, eben weniger festen Häusern aus Holz unterschieden. Die Besitzer, die Herren von Schlatten, stifteten die kleine Burg der Pfarre Bromberg, um daraus eine Kirche zu machen. Dazu wurde die Ostwand für den Triumphbogen durchbrochen und ein Chor angebaut. Um 1493 wurde das Netzrippengewölbe im Kirchenraum eingebaut, vermutlich vom Wiener Neustädter Architekten und Stadtzeugmeister Sebald Werpacher. Dieser soll auch für die Befestigung als Wehrkirche verantwortlich sein. Dazu wurden ursprünglich acht Wehrerker auf die Mauerkrone gesetzt, die aus dem Dach vorragten – zwei sind inzwischen verschwunden. Außerdem wurde ein Wehrobergeschoß eingerichtet, von dem aus die Erker erreicht werden können. Die ursprüngliche Stiege führte von der Kirche aus in der Mauer des Triumphbogens empor, weshalb dieser auch eine Stärke von über zwei Metern hat. Dieser spektakuläre, verborgene „Geheim-Aufgang“ ist heute leider vermauert. 

Die Kirche wurde noch mit einem Wehrkirchhof und einem Viehhof ummauert, wohin in Notzeiten die Wiesmather ihr Vieh in Sicherheit bringen konnten. Ein Torturm und ein Wassergraben vervollständigten die Wehranlage, die früher tatsächlich etwas mehr von einer Festung als von einer Kirche gehabt haben muss. Im Inneren der Kirche beeindrucken bemerkenswerte Fresken, die die Apostel und die Anbetung Jesu mit den Heiligen Drei Königen zeigen. Auf dem Altar fällt eine stimmungsvoll beleuchtete Glasvitrine auf, in der sich die Statue eines Jesuskindes befindet. Dieses hat mit der Gründungssage Wiesmaths zu tun: Ein Bauer mähte seine Wiese, als seine Sense auf etwas Hartes traf. Er fand eine Jesusstatue, die nun einen Sensenhieb an der Stirn hatte. Er brachte sie zu jenem Ort, an dem ein Kirchenbau geplant war, doch über Nacht kehrte die Statue an ihren Fundort zurück. Die Kirche wurde nun an dieser Stelle errichtet und der Ort nach der „Wiesenmahd“ Wiesmath benannt. Auch eine zweite Sage hat mit der Kirche zu tun: jene des „Meisterschusses“. Als die Türken aus dem Land vertrieben waren, kamen die Kuruzzen und belagerten Wiesmath. Vom Kirchturm aus schoss der beste Armbrustschütze im Ort dem gegnerischen Anführer ein Brathuhn aus der Hand. Die Wiesmather nutzten dieses Überraschungsmoment für einen Angriff und schlugen tapfer die Kuruzzen in die Flucht.

Die Wallfahrtskirche Annaberg

Wesentlich friedlicher liest sich die Geschichte der nur knapp einen Kilometer entfernten zweiten Kirche in Wiesmath – zumindest über weite Teile. Die Wallfahrtskirche auf dem nach ihr benannten Annaberg wurde im Jahr 1509 erbaut, finanziert aus dem Verkaufserlös von Weingärten in Neckenmarkt. Auch sie wurde von Sebald Werpacher errichtet und der Heiligen Anna, der Mutter Marias, geweiht. Im Jahr 1782 wurde die Kirche – wie viele andere Neben- und Wallfahrtskirchen – gesperrt, verkauft und zum Abbruch freigegeben. Die Annakirche wurde von einem Richter aus Hollenthon erworben, und er ließ schon bald zwei Tagwerker mit dem Abreißen beginnen, um das Baumaterial zu Geld zu machen. Auch hierzu gibt es eine Überlieferung: Kaum war das erste Loch im Gewölbe groß genug für einen Mann, fiel auch schon einer der Arbeiter hindurch und stürzte in die Tiefe. Er blieb wie durch ein Wunder unversehrt, nur mit dem Kirchenabriss wollte danach aber niemand mehr weitermachen. Das Gotteshaus wurde anschließend zwar zweckentfremdet als Schafstall genutzt, blieb aber immerhin erhalten.

Erst 1803 wurde die Kirche wieder eröffnet und erneut zum Ziel der Anbetung der Heiligen Anna. Auch an anderen hohen Feiertagen um Ostern und Pfingsten wurden hier Messen gefeiert. 1834 wurde der Friedhof rund um die Pfarrkirche aufgelassen und ein neuer am Annaberg angelegt, seither werden auch Totenmessen und Begräbnisse in der Annakirche abgehalten. Ein trauriger Tag für die Kirche war der 31. März 1945: Bei Kampfhandlungen zwischen deutschen und russischen Truppen wurde sie in Brand geschossen und brannte aus. Bereits 1946 wurde das Dach erneuert, ein Jahr darauf die Kirche wieder eingeweiht. 1955 erfolgte der Zubau des schlichten Glockenturms, bei einer Renovierung 1980 wurden zahlreiche Fresken wie etwa das wunderschöne Rankwerk auf den Gewölben freigelegt. Bis heute ist die Kirche das Ziel von Wallfahrern: Am Annatag, dem 26. Juli, reisen (nicht nur) Pilger aus Wiesen, Neckenmarkt und Kobersdorf zur Messe und zum Annakirtag an. Einmal quer durch die Bucklige Welt geht es für Wallfahrer aus Stang, Lembach und Aigen am Dreifaltigkeitssonntag. Und am Donnerstag nach Fronleichnam wandern die Bromberger auf den Annaberg und feiern hier eine „Wettermesse“. 

Alte Fresken in der Wehrkirche

Jesus-Statue

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