„Sprache schafft Wirklichkeit“ stellt die Kraft der Mehrsprachigkeit in den Vordergrund. Kinder und Jugendliche werden dabei dazu ermutigt, mehrsprachige Texte zu schreiben und vorzutragen. / Foto: Sprache schafft Wirklichkeit

Bereits zum zweiten Mal in Folge hieß es in Wiener Neustadt bei einem abendfüllenden Programm „Sprache schafft Wirklichkeit“. 

Die Veranstaltung war der Höhepunkt der zweiten Runde des schulübergreifenden mehrsprachigen Projektes, das von Ulla Reisinger (BRG Gröhrmühlgasse), ihrem Bruder Stefan (BG Babenbergerring) und Hermine Römer (Direktorin der Volksschule Josefstadt) konzipiert wurde. 

Die Idee ist simpel: Pro teilnehmender Schule – heuer nahmen neu auch die Bilingual Junior High School und das BORG Wiener Neustadt teil – gibt es zwei Lehrkräfte, die Ansprechpersonen für das Projekt sind. Sie stehen miteinander im Austausch über Unterrichtsmaterialien und Unterstützungsmöglichkeiten. Die Schülerinnen und Schüler dagegen sind aufgefordert, kreative Texte zu einem gemeinsamen Motto zu verfassen. Am Ende können sie diese Texte vor Publikum präsentieren. 

Stefan Reisinger erklärt im Gespräch mit dem „Boten“: „Die Abendveranstaltung ist aber nicht das Wichtigste, sondern es geht darum, dass in den Klassen sichtbar wird, wie vielfältig die Welt ist.“ Seit Beginn des Projektes vor zwei Jahren sei bereits öfters die Rückmeldung gekommen, dass vielen Lehrkräften gar nicht bewusst war, wie viele Sprachen ihre Schülerinnen und Schüler zusätzlich zu Deutsch beherrschen. 

Der Schatz der Mehrsprachigkeit

Reisinger kennt auch den Grund dafür: Dass Familien zuhause auch andere Sprachen sprechen, obwohl sie Deutsch können, wird in unserer Gesellschaft oft immer noch kritisch gesehen. Die Folge ist, dass sich die Kinder oft wegen ihrer Mehrsprachigkeit schämen, „dabei wird gar nicht gesehen, welch ein Schatz das in Wahrheit ist“, meint Reisiger. 

Im aktuellen Schuljahr lautete das Motto „Held:innen“. In ihrer Kreativität waren den Kindern und Jugendlichen keine Grenzen gesetzt. 

Poetisch, kämpferisch, humorvoll

In ihren Texten thematisierten sie alltäglichen Mut, Selbstbestimmung, persönliche Erlebnisse – mal poetisch, mal kämpferisch, mal humorvoll. Bei der Abendveranstaltung im Stadttheater präsentierten schließlich mehr als 100 junge Menschen aus den fünf teilnehmenden Schulen ihre Texte in 39 verschiedenen Sprachen.

Das schulübergreifende Format versteht Sprache nicht nur als Unterrichtsgegenstand, sondern auch als Schlüssel zur Identität. Auf diese Weise sollen auch Berührungsängste abgebaut werden. 

Reisinger erklärt: „Es reicht schon eine positive Erfahrung – wenn es als etwas Schönes wahrgenommen wird, dass eine Person mehrere Sprachen spricht.“ Und das gilt für das Publikum genauso wie für die Vortragenden selbst. Egal, ob eine Familie Ungarisch, Kroatisch, Türkisch oder Arabisch, Englisch, Spanisch oder Französisch spricht: In mehreren Sprachen zu denken und zu fühlen, ist eine Chance und Ressource zugleich, aus der sich neue Perspektiven, kreatives Potenzial und ein selbstverständliches Miteinander ergeben.

Bewusstsein stärken

Finanziert wurde das Projekt bisher durch Sponsoren und Spendengelder. Nach dem Erfolg im ersten Jahr gab es heuer auch Unterstützung von der Stadt Wiener Neustadt. Gemeinderat Philipp Gruber organisierte die Bereitstellung des Stadttheaters. Für die Zukunft des Projektes kann sich Reisinger vorstellen, noch mehr Schulen mit ins Boot zu holen, das Projekt insgesamt breiter aufzustellen und dadurch das Bewusstsein für Mehrsprachigkeit in der Region noch mehr zu stärken.