Der Enkel des Molkerei-Gründers Georg Liebentritt informierte sich im Stadtmuseum über die Pionierarbeit seines Großvaters. Waltraud Schmaus und Franz Wanek führten ihn durch die Ausstellung Fotos: Irene Heiling, Schwendenwein (2)

Die neue Sonderausstellung im Stadtmuseum Kirchschlag widmet sich der 1994 geschlossenen Molkerei.

Georg Liebentritt hat seinen Großvater nie kennengelernt. „Er ist 22 Jahre vor meiner Geburt verstorben“, erzählt der 58-jährige Landwirt beim Besuch im Kirchschlager Stadtmuseum, während er das Bild seines Vorfahren eindringlich betrachtet. Liebentritts Großvater, ebenfalls Georg, war nämlich niemand anderer als der Gründer der Molkerei Kirchschlag. 

Im Jahr 1927 ging der Betrieb los, 1944 starb Liebentritt. Die Molkerei aber hat die schwierigen Kriegsjahre überstanden und gestaltete den Aufschwung der Nachkriegszeit mit. Sie zählte nicht nur als Kirchschlager Institution, sondern mit ihrem großen Einzugsgebiet (Bucklige Welt, Wechselgebiet und Teile des Mittelburgenlands) auch zu den wichtigsten milchverarbeitenden Betrieben im niederösterreichischen Industrieviertel. Ab 1952 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1986 führte Direktor Kurt Ramsauer die Molkerei.  Aus dieser Zeit stammen auch die meisten Ausstellungsstücke und Fotodokumente, die derzeit im Stadtmuseum zu betrachten sind – teilweise von der Familie Ramsauer selbst gespendet. Immerhin hat die Familie die Ausstellung im Vorfeld zum Hundertjahr-Jubiläum 2027 angeregt. 

Zeitreise

Anhand der Ausstellung lassen sich die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen aller Beteiligten nachvollziehen – vom ersten Computer in Kirchschlag über ausgefallene Betriebsinstrumente bis hin zu kuriosen Details. So wurden 1952 etwa 3,5 Millionen Kilo Milch verarbeitet, 1976 waren es bereits 23,6 Millionen Kilogramm: Ende der 1970er-Jahre lieferten 2.506 Bauern die Milch von 11.125 Kühen. Die Molkerei war somit ein wichtiger Arbeitgeber in der Region und beschäftigte 166 Menschen, davon 49 direkt im Betrieb, 83 als Milchführer und 34 als Milchsammler. Bei der Sonderausstellung in Kirchschlag gibt es Einblicke in ihre Tätigkeiten. Besucher haben dabei unter anderem die Möglichkeit, die Nummern der ausgestellten Milchkannen abzulesen und in den ausgestellten Büchern die ursprünglichen Besitzer ausfindig zu machen. Die Jahre des Aufschwungs waren zu Beginn der 90er-Jahre aber auch in Kirchschlag vorbei. Milchüberschüsse veranlassten die Politik damals dazu, Förderungen für Betriebe zu vergeben, die auf Mutter-Kuh-Haltung umstellten. Auch der Betrieb von Georg Liebentritt gehörte dazu. Die Familie stellte die Milchlieferungen bereits 1991 ein. 

Wie sehr diese Geschichte die Menschen in der Region immer noch bewegt, wurde bei der Eröffnung der Sonderausstellung Ende Juni deutlich: „Wir hatten selten so einen Ansturm bei einer Saisoneröffnung“, zeigte sich die Museumsleitung um Waltraud Schmaus und Museumsdirektor Franz Wanek begeistert.

Foto links: Großer Andrang bei der Ausstellungseröffnung; Foto rechts: Die Kinder des langjährigen Direktors der Molkerei, Kurt Ramsauer, Gabi, Bärbel, Peter, Elfi und Sissy, mischten sich unter die vielen Besucher bei der Ausstellungseröffnung;

Öffnungszeiten Museum
Mai–Ende Oktober:
An Sonn- und Feiertagen von 9–11.30 Uhr und an anderen Tagen gegen Voranmeldung unter
+43 664 3734725 (Franz Wanek)