Bertram List bringt mit Yuniti nicht nur frische Ideen für die Zukunft der Arbeit zur List Holding in Bad Erlach, sondern auch in die Region
Foto: Monika Müllner
Eingebettet in das Familienunternehmen der List Holding Gruppe in Bad Erlach, passiert seit einiger Zeit Spannendes: Bertram List geht mit Yuniti einen neuen Weg, abseits exklusiver Ausstattungen für Yachten und Residenzen. Der „Bote“ sprach mit dem New Work- und Design-Experten über den Start-up-Spirit im Traditionsbetrieb, die Zukunft der Arbeit und darüber, warum dabei gerade der ländliche Raum eine bedeutende Rolle spielen könnte.
Bote: Yuniti wurde unter dem Dach der List Holding gegründet, ist aber doch so ganz anders. Ist Yuniti ein Start-up? Und wie kam es zu dieser Entwicklung?
Bertram List: Eigentlich ist Yuniti klein klassisches Start-up, weil es zur List Holding-Gruppe dazugehört. Ich glaube, gerade am Anfang der Entwicklungszeit hatte es aber starke Start-up-Züge. Das heißt, dass bei uns zum Beispiel Planungsprozesse zur Produktentwicklung völlig digital strukturiert sind, da es die Kommunikation mit externen Partnern erleichtert. Das sehen wir auch bei uns im Haus als Vorteil von einer kleinen neuen Einheit, dass wir viele Dinge mal ausprobieren können, die jetzt vielleicht im großen Flaggschiff der Holding nicht mehr so einfach sind.
Bote: Einerseits gibt es mit der List Holding ein Sicherheitsnetz, andererseits muss man sich mit seiner Idee auch besonders unter Beweis stellen, richtig?
List: Das stimmt auf jeden Fall. Ich habe auch zuvor bereits eine Kreativagentur gegründet und habe für unterschiedliche Agenturen und internationale Unternehmen im Bereich UX/UI Design gefreelanced. Diese Freiheiten, Dinge auszuprobieren, habe ich aber auch jetzt innerhalb der Holding – dafür bin ich sehr dankbar und hierbei genieße ich das volle Vertrauen meiner Familie und der List Holding Geschäftsführung. Natürlich will ich mich aber auch beweisen – letztlich ist doch die einzige Person auf der Welt, der man etwas beweisen muss, man selbst.
Bote: Sind Sie besonders streng zu sich selbst?
List: In manchen Dingen schon, ja. Das liegt auch daran, dass ich ein sehr ehrgeiziger Mensch bin. Wenn ich etwas mache, mache ich es gescheit. Ich sehe Yuniti daher auch als eine neue Einheit, um gemeinsam mit unseren MitarbeiterInnen die Unternehmensgruppe zukunftsfit zu machen.Viele Dinge ändern sich gerade: Wie arbeiten wir, wie verstehen wir Arbeit, Stichwort „Future of Work“ oder „KI-Technologien“? Da sehe ich mich in der Verantwortung als neue Generation oder Jüngster im Haus, den Weg zu bereiten, damit man gut in die Zukunft gehen kann.
Bote: Das heißt, die große Unternehmensgruppe lernt auch vom neuen kleinen Yuniti über die Zukunft der Arbeit?
List: Ja, das ist uns auch wichtig. Natürlich, wir sind viel kleiner und da ist es einfacher, flexibler zu sein. Andererseits ist es auch eine Möglichkeit, Prozessmanagementmethoden, Workshop-Styles oder Veranstaltungen im Kleinen auszuprobieren, bevor wir es dann auf die Unternehmensgruppe übertragen können.
Bote: Was macht diesen Start-up-Spirit von Yuniti aus?
List: Für mich ist es ganz klar die Mischung aus Agilität, Vision und echter Co-Kreation. Wir haben Yuniti gegründet, um Räume neu zu denken – nicht als statische Produkte, sondern als lebendige Systeme, die sich flexibel an die Bedürfnisse von Menschen und Organisationen anpassen. Dabei ist uns wichtig, nicht im stillen Kämmerlein zu entwickeln, sondern gemeinsam mit NutzerInnen, KundInnen und PartnerInnen.
Bote: Bisher war es so, dass es für die Produkte, die die List Holding hier in der Region produziert, vor Ort keine potenziellen Kunden gibt. Das ist mit Yuniti anders und daher muss das Marketing auch ganz anders aufgesetzt werden. Wie machen Sie das?
List: Das ist richtig. Wir möchten die Kompetenz, die wir im Yachtbereich und damit in der komplexen Entwicklung, die wir in den letzten 30 Jahren aufgebaut haben, neuen bzw. anderen Märkten zur Verfügung stellen und damit neue Nutzergruppen auch in der Region ansprechen. Wir denken Marketing und Sales ganz anders. Was wir machen, ist ein B2B-Produkt. Unsere Zielgruppe sind mittlere bis große Betriebe, Organisationen, die Unterstützung brauchen, wenn sie zum Beispiel ein neues Büro ausbauen oder auch strategische Fragen haben. Eine davon ist etwa: „Wie bringe ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert ins Büro zurück?“ Man bekommt das Home nicht mehr aus dem Office, das ist klar. Daher hat sich auch die Rolle von Büros oder Arbeitsplätzen ganz stark verändert. Wir sehen uns da auch im edukativen Bereich. Das heißt, wir machen Workshops, Keynotes oder Veranstaltungen zu Themen wie ,Arbeitsplätze der Zukunft‘. Das ist auch im regionalen Diskurs ganz wichtig. Ortszentren und Ansprüche an Orte verändern sich. New Work oder Future of Work ist kein rein urbanes Thema mehr. Menschen, die täglich zur ihrem Arbeitsplatz pendeln müssen, freuen sich über die Möglichkeit, im Homeoffice bleiben zu können. Das muss aber nicht immer zu Hause sein, und da setzen wir an.
Bote: Ist das ein Weg, den eine Region gehen muss, um Abwanderung zu verhindern?
List: Ich bin selbst mit 18 Jahren zum Studieren in die Stadt gezogen, bin später aber wieder zurückgekommen, weil ich die Umgebung und die Möglichkeiten, die ich am Land habe, schätze. Ich glaube einfach, dass diverse Angebote geschaffen werden müssen, damit es auch für junge Menschen interessant bleibt. Ein Beispiel dafür ist der „Mehrraum“ in Bad Erlach, ein super Projekt, wo Leute zusammenkommen können, um Dinge gemeinsam zu schaffen. Es braucht mehr dieser Angebote oder auch Räumlichkeiten, wo ich einfach mal mit dem Laptop hingehen, einen Kaffee trinken, arbeiten kann. Ich bin der absoluten Überzeugung, dass sich der Begriff Arbeit durch die Digitalisierung noch mehr verselbstständigen wird und man noch stärker ortsungebunden arbeiten kann. Yuniti setzt genau hier an: Arbeitsräume der Zukunft neu zu denken.
Bote: Einerseits will man die Mitarbeiter also wieder ins Büro zurückholen, andererseits sollen neue Möglichkeiten geschaffen werden, von überall aus arbeiten zu können. Sind das nicht zwei gegensätzliche Entwicklungen?
List: Das sind zwei Entwicklungen, die parallel funktionieren müssen – und entsprechende Lösungen brauchen. Wir arbeiten etwa an Möbellösungen, um Kollegen digital, in einem haptisch angenehmen Kontext, hinzuzuholen. Es ist auch eine Art von Employer Branding, zu sagen: „Ich gebe dir die Möglichkeit, organisiere dich selber, komm oder komm nicht, du kannst dich entscheiden.“ So kann man zwei Welten miteinander verbinden. Es geht aber nicht nur um Menschen, die in klassischen Bürojobs arbeiten, sondern auch um jene, die in der Produktion oder im Krankenhaus oder in der Pflege tätig sind. Auch hier gibt es Mittel und Wege, Future of Work einzusetzen und den Leuten die notwendige Wertschätzung für das, was sie tun, zurückzugeben.
Bote: Das heißt, die Tatsache, dass Yuniti inmitten des Umbruchs der Arbeitswelt gegründet wurde, ist kein Zufall?
List: Wir haben 2021 mit der Entwicklung angefangen und vor zwei Jahren das Unternehmen gegründet. Natürlich haben wir uns angeschaut, wo es ein dringendes Thema gibt, das uns alle angeht und uns auch in Zukunft noch beschäftigen wird. Da unser Unternehmen so sehr in der Region verankert ist, ist es für uns auch extrem wichtig, etwas zurückzugeben und etwas zu machen, das den Menschen Lösungen anbietet.
Bote: Hat der Wunsch, ein Produkt herzustellen, das auf Interesse in der unmittelbaren Umgebung stößt, eine Rolle gespielt?
List: Die Region ist ganz wichtig für uns und wir haben uns vor mittlerweile 30 Jahren bewusst dafür entschieden, hierherzukommen und hier zu bleiben. Meine Schwester und ich sind selbst sehr in der Region verankert, das haben wir von unserem Papa auch so mitbekommen. Daher freut es mich umso mehr, wenn wir auch hier in der Region mehr Projekte umsetzen – auch mit jungen Unternehmern.
Bote: Was gehört, abgesehen von örtlich ungebundenen Mitarbeitern, zum New Work?
List: Für mich gehört zum Thema New Work ganz klar ein wertschätzender und respektvoller Umgang mit den eigenen Ressourcen. In einem kleinen Team hat man da natürlich leicht reden, aber auch bei der List Holding haben wir schon vor ein paar Jahren ein flaches hierarchisches Organisationssystem eingeführt. Wir denken in einer Zellenlogik. Das heißt, bei uns arbeiten die Projektteams wirklich in Teams zusammen, die für ihren Bereich die Verantwortung tragen. Ganz wichtig ist dabei, dass meine Schwester und ich am selben Strang ziehen und die gleichen Überzeugungen vertreten. Für mich ist Future of Work oder New Work auch einfach ein Zeichen von Respekt. Wir sind alle aufgewachsen in einem System, von der Schule angefangen, in dem wir aktuell noch funktionieren und ausharren, das auf Kontrolle und Hierarchien aufgebaut ist. Viele Unternehmer oder Abteilungsleiter sind mit dem Grundsatz aufgewachsen: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Gleichzeitig laden sie sich damit selbst die ganze Verantwortung auf, was auch unglaublich stressig ist. Wir verfolgen bei Yuniti daher auch einen Beratungsansatz, denn in jedem Unternehmen muss man individuell herausfinden, wie das System bestmöglich funktioniert. Wir unterstützen dabei, dass Unternehmen ihren Weg in die richtige Richtung finden können. Das ist aber weit mehr, als für sie die passende Möbellösung zu finden.
Bote: Wie hat sich Ihr Interesse für dieses Themenfeld rund um Unternehmensprozesse und New Work entwickelt?
List: Ursprünglich bin ich Designer durch und durch. Ich bin vom klassischen Kommuni-
kationsdesign schließlich im industriellen Produktdesign gelandet: Das ist auch mein Steckenpferd, nachhaltige Produkte zu entwickeln, die Probleme lösen. Meine Hauptmotivation ist immer, Menschen zu helfen. Design und Wirtschaft miteinander zu verbinden, finde ich dabei besonders spannend. Ich bin heute in dem Bereich Future of Work, gerade auch im Kontext Digitalisierung und KI, tätig, mache gerade mein Doktorat an der New Design University in dem Bereich, unterrichte sowohl dort als auch an einer Uni in Deutschland. Dabei kann ich nicht nur meinen „way of thinking“ an Jüngere Weitergeben, sondern lerne auch selbst von ihnen und damit von den Nutzern von morgen.
Bote: Zum Schluss ein Blick in die Zukunft aus Expertensicht: Wie werden wir in zehn Jahren in der Region arbeiten?
List: Es geht um diese Begegnungsräume von digital und analog. Arbeit wird künftig viel dezentralisierter stattfinden. Das bedeutet aber auch, dass es entsprechende Räume dafür braucht. Der US-Soziologe Ray Oldenburg hat sich Ende der 1980er-Jahre angeschaut: Wo halten wir uns denn eigentlich auf? Er definiert drei Orte: Der First Place ist zu Hause. Da leben wir, da wohnen wir, da findet Privates statt. Der Second Place ist die Arbeitsumgebung. Da sind wir den ganzen Tag, da findet Austausch statt. Und dann gibt es diese ganz spannenden Third Places, die gerade am Land sehr verankert sind. Das ist das Gasthaus, der Fußballverein. Das ist überall dort, wo ich mich mit Menschen treffe, die nicht Arbeitskollegen und Familie sind. Ich schaue mir an, wie sich diese Orte besonders in den letzten Jahren verändert haben und wie die Entwicklung weitergehen kann. Ich möchte aber auch hinterfragen, ob es in Zukunft nicht auch einen vierten hybriden Ort geben wird, wo das digitale Leben stattfindet. Dadurch wird auch der ländliche Raum an Bedeutung gewinnen, weil der dritte Ort analoger wird, um auch Platz für diesen vierten Ort zu schaffen. Diese Orte werden in naher Zukunft das ausschlaggebende Kriterium sein, um Fachkräfte dorthin zu bringen, wo man sie braucht. Da muss die Region massiv auf Innovation setzen und pionierhaft solche Umgebungen schaffen.

Die Yuniti-Mission: individuelle Arbeitsplatz-Lösungen und entsprechende Beratung / Foto: Valerie Eccli






