Äußerer Markt um 1900 – ein Pferdegespann vor dem Gemischtwarenladen. Vor dem Haus dürfte der jüdische Besitzer zu sehen sein. / Repros: Wanek
Forschungsprojekt: auf den Spuren der jüdischen Vergangenheit
In einem groß angelegten Forschungsprojekt wird derzeit die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in der Buckligen Welt und im Wechselland dokumentiert. Dabei wird auch das Leben der Familien Riegler und Hönigsberg aus Kirchschlag erforscht.
Nach der mehrfach ausgezeichneten Buchreihe „Lebensspuren“ mit Zeitzeugen-Interviews aus der Region, haben Johann Hagenhofer und Teile seines Forschungsteams nun das nächste Projekt in Angriff genommen. Für das im Rahmen der Landesausstellung 2019 geplante Museum für Zeitgeschichte in Bad Erlach wurde ein Forschungsprojekt zur jüdischen Geschichte in der Region ins Leben gerufen, das Ende Februar abgeschlossen werden soll. Dabei erfolgte die Bearbeitung der Stadtgemeinde Kirchschlag durch Friedrich Geiderer. Im Anschluss ist die Herausgabe eines Sammelbands mit Beiträgen über das Schicksal der Juden in einzelnen Gemeinden der Region geplant.
Die Juden von Kirchschlag
Namhafte Historiker haben sich an dem Projekt beteiligt, unter ihnen auch Franz P. Wanek aus Kirchschlag. Er begab sich auf Spurensuche über die beiden jüdischen Familien Riegler und Hönigsberg. Und er ist fündig geworden. Im Internet, in diversen Archiven und Bibliotheken hat er geforscht und hat heute ein ganz gutes Bild davon, wie es den beiden Familien nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland und dem Aufstieg der Nationalsozialisten ergangen ist. „Außer den beiden Namen Hönigsberg und Riegler war bisher wenig über die beiden jüdischen Familien bekannt. Also habe ich begonnen zu recherchieren und etwa im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands auch eine Menge Material über Kirchschlag gefunden“, so Wanek, der auch der Leiter des Kirchschlager Stadtmuseums ist.
Seine Suche beschreibt er als echte Detektivarbeit, aber schließlich ist es doch gelungen, einen kleinen Einblick in das Leben der jüdischen Familien zu bekommen.
Erfolgreiche Kaufleute
Bereits im Jahr 1864 dürfte Max Hönigsberg in Kirchschlag eine Gemischtwarenhandlung eröffnet haben. 1883 kam dann die Familie Riegler aus dem mittelburgenländischen Kobersdorf und betrieb ebenfalls einen Gemischtwarenladen. Schon bei der Lebensspuren-Reihe wurde mit einigen Zeitzeugen aus dem Mittelburgenland gesprochen. Auch in diesem Fall sollen die Spuren im Nachbarbundesland untersucht werden.
Wanek hat auch mit den wenigen noch lebenden Zeitzeugen Kontakt aufgenommen. So auch mit Eva Hofbauer, deren Mutter als Verkäuferin bei Alexander Hönigsberg gearbeitet hat. Aus diesen Erzählungen lässt sich feststellen, dass die Familien gut in der Gemeinde integriert waren. Aus einem Zeitzeugen-Interview erfährt man schließlich, wie es den Familien während der Nazi-Herrschaft ergangen ist. Während die Kinder (bis auf eine kleine Tochter) nach Amerika, Israel oder die Schweiz geflüchtet waren, blieben die Eltern in Kirchschlag. 1938 wurden die Häuser der jüdischen Familien arisiert, wenige Jahre später wurden die verbliebenen Familienmitglieder zunächst nach Wien und dann in Konzentrationslager nach Polen deportiert, wo sie sofort nach ihrer Ankunft erschossen wurden. Wie das Leben der jüdischen Familien ausgesehen hat, und was ihre Nachkommen zu erzählen haben, wird in dem neuen Sammelband dokumentiert. Außerdem soll es im Stadtmuseum eine Sonderausstellung zu dem Thema geben.
Alexander Hönigsberg (vorne) mit seinen Angestellten Annerl Heissenberger (links) und Justina Streitfelder (rechts), dahinter seine Gattin Paula Hönigsberg und Sohn Arthur / Repros: Wanek
Eine Ansichtskarte aus dem Jahr 1939 zeigt den Äußeren Markt in Kirchschlag, wo die Gemischtwarenhandlungen der beiden jüdischen Familien angesiedelt waren / Repros: Wanek