Äuße­rer Markt um 1900 – ein Pfer­de­ge­spann vor dem Gemischt­wa­ren­la­den. Vor dem Haus dürf­te der jüdi­sche Besit­zer zu sehen sein. / Repros: Wanek

For­schungs­pro­jekt: auf den Spu­ren der jüdi­schen Vergangenheit

von | Feb 19, 2018 | Kul­tur und Genuss

In einem groß ange­leg­ten For­schungs­pro­jekt wird der­zeit die Geschich­te der jüdi­schen Bevöl­ke­rung in der Buck­li­gen Welt und im Wech­sel­land doku­men­tiert. Dabei wird auch das Leben der Fami­li­en Rieg­ler und Hönigs­berg aus Kirch­schlag erforscht.

Nach der mehr­fach aus­ge­zeich­ne­ten Buch­rei­he „Lebens­spu­ren“ mit Zeit­zeu­gen-Inter­views aus der Regi­on, haben Johann Hagen­ho­fer und Tei­le sei­nes For­schungs­teams nun das nächs­te Pro­jekt in Angriff genom­men. Für das im Rah­men der Lan­des­aus­stel­lung 2019 geplan­te Muse­um für Zeit­ge­schich­te in Bad Erlach wur­de ein For­schungs­pro­jekt zur jüdi­schen Geschich­te in der Regi­on ins Leben geru­fen, das Ende Febru­ar abge­schlos­sen wer­den soll. Dabei erfolg­te die Bear­bei­tung der Stadt­ge­mein­de Kirch­schlag durch Fried­rich Gei­de­rer. Im Anschluss ist die Her­aus­ga­be eines Sam­mel­bands mit Bei­trä­gen über das Schick­sal der Juden in ein­zel­nen Gemein­den der Regi­on geplant.

Die Juden von Kirchschlag

Nam­haf­te His­to­ri­ker haben sich an dem Pro­jekt betei­ligt, unter ihnen auch Franz P. Wanek aus Kirch­schlag. Er begab sich auf Spu­ren­su­che über die bei­den jüdi­schen Fami­li­en Rieg­ler und Hönigs­berg. Und er ist fün­dig gewor­den. Im Inter­net, in diver­sen Archi­ven und Biblio­the­ken hat er geforscht und hat heu­te ein ganz gutes Bild davon, wie es den bei­den Fami­li­en nach dem Anschluss Öster­reichs an Deutsch­land und dem Auf­stieg der Natio­nal­so­zia­lis­ten ergan­gen ist. „Außer den bei­den Namen Hönigs­berg und Rieg­ler war bis­her wenig über die bei­den jüdi­schen Fami­li­en bekannt. Also habe ich begon­nen zu recher­chie­ren und etwa im Doku­men­ta­ti­ons­ar­chiv des öster­rei­chi­schen Wider­stands auch eine Men­ge Mate­ri­al über Kirch­schlag gefun­den“, so Wanek, der auch der Lei­ter des Kirch­schla­ger Stadt­mu­se­ums ist.

Sei­ne Suche beschreibt er als ech­te Detek­tiv­ar­beit, aber schließ­lich ist es doch gelun­gen, einen klei­nen Ein­blick in das Leben der jüdi­schen Fami­li­en zu bekommen.

Erfolg­rei­che Kaufleute

Bereits im Jahr 1864 dürf­te Max Hönigs­berg in Kirch­schlag eine Gemischt­wa­ren­hand­lung eröff­net haben. 1883 kam dann die Fami­lie Rieg­ler aus dem mit­tel­bur­gen­län­di­schen Kobers­dorf und betrieb eben­falls einen Gemischt­wa­ren­la­den. Schon bei der Lebens­spu­ren-Rei­he wur­de mit eini­gen Zeit­zeu­gen aus dem Mit­tel­bur­gen­land gespro­chen. Auch in die­sem Fall sol­len die Spu­ren im Nach­bar­bun­des­land unter­sucht werden.

Wanek hat auch mit den weni­gen noch leben­den Zeit­zeu­gen Kon­takt auf­ge­nom­men. So auch mit Eva Hof­bau­er, deren Mut­ter als Ver­käu­fe­rin bei Alex­an­der Hönigs­berg gear­bei­tet hat. Aus die­sen Erzäh­lun­gen lässt sich fest­stel­len, dass die Fami­li­en gut in der Gemein­de inte­griert waren. Aus einem Zeit­zeu­gen-Inter­view erfährt man schließ­lich, wie es den Fami­li­en wäh­rend der Nazi-Herr­schaft ergan­gen ist. Wäh­rend die Kin­der (bis auf eine klei­ne Toch­ter) nach Ame­ri­ka, Isra­el oder die Schweiz geflüch­tet waren, blie­ben die Eltern in Kirch­schlag. 1938 wur­den die Häu­ser der jüdi­schen Fami­li­en ari­siert, weni­ge Jah­re spä­ter wur­den die ver­blie­be­nen Fami­li­en­mit­glie­der zunächst nach Wien und dann in Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger nach Polen depor­tiert, wo sie sofort nach ihrer Ankunft erschos­sen wur­den.  Wie das Leben der jüdi­schen Fami­li­en aus­ge­se­hen hat, und was ihre Nach­kom­men zu erzäh­len haben, wird in dem neu­en Sam­mel­band doku­men­tiert. Außer­dem soll es im Stadt­mu­se­um eine Son­der­aus­stel­lung zu dem The­ma geben.

Alex­an­der Hönigs­berg (vor­ne) mit sei­nen Ange­stell­ten Annerl Heis­sen­ber­ger (links) und Jus­ti­na Streit­fel­der (rechts), dahin­ter sei­ne Gat­tin Pau­la Hönigs­berg und Sohn Arthur / Repros: Wanek

Eine Ansichts­kar­te aus dem Jahr 1939 zeigt den Äuße­ren Markt in Kirch­schlag, wo die Gemischt­wa­ren­hand­lun­gen der bei­den jüdi­schen Fami­li­en ange­sie­delt waren / Repros: Wanek

Der Kirch­schla­ger His­to­ri­ker Franz P. Wanek erforscht das Schick­sal der bei­den jüdi­schen Fami­li­en in sei­ner Hei­mat­stadt / Foto: Rehberger