Fotos: Markus Steinbichler

Lost Places: Heilung in bester Höhenluft – das Kurhaus in Hochegg

von | Sep 6, 2018 | Archiv

Wenn das Landesklinikum in Hochegg heuer seinen 100. Geburtstag feiert (Bericht Seite 8), dann ist das ehemalige Kurhaus ein wesentlicher Teil dieser Geschichte. Es wurde als erster Grundstein des Krankenhauses 1918 fertiggestellt und in Betrieb genommen. Doch die Zeiten, in denen Patienten, Ärzte und Pflegepersonal hier über die Gänge spazierten, sind lange vorbei. Wie das Haus heute aussieht und welche Geschichten das ehrwürdige Gemäuer zu erzählen hat, das hat sich unser „Lost Places“-Fotograf Markus Steinbichler hautnah angesehen.

Der heutige Höhenluftkurort Hochegg, auf 730 Meter Seehöhe über Grimmenstein gelegen, war lange Zeit nicht mehr als ein kleines Dorf, bestehend aus einigen Bauernhöfen. Die gute Luft gab es hier zwar schon immer, doch um 1900 erlangte diese besondere Bedeutung: In den Großstädten – Wien erreichte im Jahr 1910 die Zwei-Millionen-Einwohner-Grenze – plagten verschmutzte, staubige Luft und schlechte Wohn- und Arbeitsbedingungen die Bevölkerung, Lungenkrankheiten wie Tuberkulose waren auf dem Vormarsch. Daher entstanden an Orten mit frischer Luft und mildem Klima Lungenheilanstalten – so auch in Hochegg. Bereits 1905 wurde hier ein Privatsanatorium errichtet. Das imposante Gebäude ist heute allerdings nur noch auf alten Ansichtskarten zu finden. An seiner Stelle steht heute das Rehabilitationszentrum Hochegg. Eine kleine Sammlung solcher „Post aus dem Sanatorium“ hat unser Fotograf Markus Steinbichler zusammengetragen und liest dort immer wieder nach, wie es den Patienten damals in Hochegg ging:

„In Grimmenstein gut angekommen ist es hier sehr schön, nur hab ich noch ein bißchen Heimweh. Geht mir sehr gut, haben auch viel und gutes Essen, nur das Liegen, jeden Tag 7 Stunden im Freien und nachts bei offenem Fenster schlafen, bei dieser Kälte aber man gewöhnt sich ja an alles.“

„Hier sende ich Ihnen eine Ansicht meines momentanen Aufenthaltes. Die gute Luft wird hoffentlich auch mir wieder zu meiner […] Gesundheit verhelfen …“

Kur für Offiziere und für Kinder

Als weitere Heilstätte in Hochegg war 1915 die Errichtung eines Genesungsheims für lungenkranke Offiziere des Ersten Weltkrieges geplant. Das „Kurhaus zum weißen Kreuz“ war ein bedeutender Teil dieser Einrichtung, es wurde mit Jugendstil-Elementen und beeindruckender Außenwirkung errichtet, immerhin sollte es seiner Klientel – dem damals hochangesehenen Offiziersrang – entsprechen.

1918, im Jahr der Eröffnung des Kurhauses unter dem Namen „Isabella-Pavillon“, wurde mit Ende des Krieges auch die ursprüngliche Bestimmung obsolet. Schon bald darauf wurden daher auch jüngere Patienten behandelt, und mithilfe des schwedischen Roten Kreuzes wurde ab 1921/22 eine Volksheilstätte für Kinder mit chronischer Tuberkulose betrieben.

In den Folgejahren wurde um Zubauten wie den „Schwedenpavillon“, den „Landespavillon“ für niederösterreichische Patienten im Jahr 1928 und der Anstaltskapelle erweitert. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts erlangte die Heilstätte für Lungen- und Knochentuberkulose einen hervorragenden Ruf und wurde laufend modernisiert, um- und ausgebaut. Im „Isabella-Pavillon“ wurde auch die erste Chemotherapie in Hochegg angewendet.

Neues Landesklinikum

Im Jahr 1990 wurde schließlich von der Niederösterreichischen Landesregierung der Beschluss zur Neuerrichtung des Landesklinikums Hochegg gefasst, 1994 folgte der Baubeginn für das neue Haus. Im Zuge dessen wurden die meis-
ten historischen Gebäude aus der frühen Zeit des Luftkurtortes abgerissen. Gleichzeitig wurden jedoch auch die bedeutendsten Bauten unter Denkmalschutz gestellt, darunter die Kapelle, ein Verwaltungsgebäude und ein ehemaliges Pflegeheim aus den 1920er-Jahren; und auch das „Kurhaus zum weißen Kreuz“ mit seinen Balkonen, Loggien und Jugendstil-Säulen, das heuer seinen 100. Geburtstag als Grundstein des Landeskrankenhauses in Hochegg feiert.

1998 konnte schließlich das modernste Lungenkrankenhaus Österreichs in Betrieb genommen werden, wobei am Tag der Übersiedelung der Stationen aus dem „Isabella-Pavillon“ das Frühstück noch in diesem, das Mittagessen aber schon im nagelneuen Krankenhaus eingenommen wurde. Und wer heute bei einem Krankenhausbesuch genauer aus dem Fenster schaut, wird bemerken, dass sich die Mittelachse des Neubaus exakt an jener des alten Kurhauses orientiert.