Gerberei/​ Foto: Mar­kus Steinbichler

Das Ger­ber-Hand­werk ist so alt wie die Mensch­heit und ist heu­te doch sel­ten gewor­den. Daher freut es uns beson­ders, für unse­ren aktu­el­len „Lost Place“ einen ein­zig­ar­ti­gen Ein­blick in die ehe­ma­li­ge Ger­be­rei Hirsch in Aspang geben zu kön­nen. Ein­zig­ar­tig vor allem des­halb, weil das Gebäu­de der­zeit aus sei­nem „Dorn­rös­chen­schlaf“ geweckt wird. Wir haben uns auf die Spu­ren die­ser uralten Hand­werks­tra­di­ti­on begeben.

Das Ger­ben ist eine der ältes­ten Kul­tur­tech­ni­ken der Mensch­heit. Schon in der Alt­stein­zeit war das Bear­bei­ten von Leder selbst­ver­ständ­lich. Im Wech­sel­ge­biet befan­den sich noch bis zum Ende des 20. Jahr­hun­derts eini­ge Ger­be­rei­en. Allein in Aspang gab es nach 1945 drei Betrie­be. Die letz­te erhal­te­ne Werk­statt ihrer Art konn­te unser „Lost Places“-Fotograf Mar­kus Stein­bich­ler in ein­zig­ar­ti­gen Bil­dern fest­hal­ten, bevor das Gebäu­de ver­kauft wur­de und dem­nächst einem neu­en Zweck  dient. Wel­cher das ist, wird in einer unse­rer nächs­ten Aus­ga­ben ver­ra­ten, wenn wir mit dem neu­en Eigen­tü­mer über sei­ne Plä­ne spre­chen. Nun aber zurück zu unse­rem his­to­ri­schen Schatz.

FLO­RIE­REN­DES HAND­WERK UND HAR­TE KONKURRENZ

Schon im 17. und im 18. Jahr­hun­dert gibt es laut dem Buch „Unse­re Hei­mat; Aspang-Markt und Aspang­berg St. Peter“ von Bri­git­ta Glatz Auf­zeich­nun­gen über die Hand­werks­zünf­te in Aspang. Dar­un­ter befin­det sich auch ein Pro­test­schrei­ben der Lede­rer (spä­ter Ger­ber) aus dem Jahr 1611 an den dama­li­gen Erz­her­zog. Dar­in beschwe­ren sie sich über Kon­kur­renz von außer­halb, „wider die aus­len­di­schen Lede­rer alß Ping­ga­fel­der, Aspan­ger und Kürch­schla­ger“. Die­se führ­ten ihre Waren in deren Revie­re ein und taten ihnen „das Prott vor dem Maull abzu­schnei­den unterstehn.“

Ende des 18. Jahr­hun­derts gab es noch meh­re­re Lede­rei­en in Aspang, aus denen sich spä­ter die Ger­be­rei­en ent­wi­ckel­ten. Der Grund, war­um sich in die­ser Gegend so vie­le Ger­be­rei­en ansie­del­ten, liegt an den vor­han­de­nen Res­sour­cen. Die Gegend bot Roh­stof­fe wie Tier­fel­le und „Ger­ber­lo­he“ (Gerb­stof­fe aus Rin­den und Blät­tern) sowie lau­fend fri­sches Was­ser zur Her­stel­lung von Leder- und Pelzwaren.

Die Ger­be­rei Hirsch war wohl die bekann­tes­te. Micha­el Hirsch, ein Ger­ber­meis­ter aus Neun­kir­chen, kauf­te im Jahr 1824 einen Ger­be­rei­be­trieb in der Haupt­stra­ße von Aspang, spä­ter kauf­te er das ehe­ma­li­ge Maut­ge­bäu­de in der Zöben­er­stra­ße und bau­te die­se nach und nach zu einer gro­ßen Ger­be­rei aus, in der in auf­wän­di­gen Ver­fah­ren Leder zur Besohlung von Schu­hen her­ge­stellt wur­de. Mit­te des 20. Jahr­hun­derts muss­te der Betrieb aller­dings auf­grund des Drucks durch die zuneh­men­de indus­tri­el­le Erzeu­gung schließen.

LEDER FÜR DIE LEDERHOSEN

Einer, der am bes­ten weiß, wie die Arbeit in einer Ger­be­rei damals ablief, ist Sieg­fried Pich­ler. Er fing im Jahr 1965 mit sei­ner Leh­re in einer Ger­be­rei an. Hirsch­fel­le, aber auch die Häu­te von Scha­fen und Wild­schwei­nen wur­den von den Jägern gebracht, um sie vor Ort ver­edeln zu las­sen und spä­ter als Tro­phä­en auf­zu­hän­gen. Aber auch die Ger­be­rei selbst kauf­te etwa gro­ße Men­gen Hirsch­fel­le, um das fer­ti­ge Leder dann an Leder­ho­sen­ma­cher zu verkaufen.

In den 1970er-Jah­ren ging Pich­ler schließ­lich zur Eisen­bahn, die Ger­be­rei gab es noch eini­ge Jah­re län­ger. Er erin­nert sich aber noch heu­te an die vie­len Details sei­ner Arbeit. Dass sei­ne Tätig­keit durch­aus anstren­gend war und etwa durch das Ein­wei­chen der getrock­ne­ten Häu­te auch von wenig ange­neh­men Gerü­chen beglei­tet, mach­te ihm nie etwas aus. „Aber wir waren damals ja noch jung, das hat uns nichts gemacht“, so Pich­ler. Zwei Mit­ar­bei­ter und der Chef, spä­ter auch ein Lehr­ling, küm­mer­ten sich um die Auf­trä­ge. Vom Ein­wei­chen und der che­mi­schen Behand­lung über das Abscha­ben der Häu­te bis zum Trock­nen wur­de das meis­te per Hand gemacht, und für ein gelun­ge­nes End­pro­dukt war viel Geschick des Hand­wer­kers verlangt.

DIE ZEIT STEHT STILL

Als unser Foto­graf Mar­kus Stein­bich­ler vor eini­ger Zeit das Haus besich­tig­te, als es sich noch im Besitz der Gemein­de befand, fas­zi­nier­te ihn vor allem die Tat­sa­che, dass alles den Ein­druck erweck­te, als ob es bis vor Kur­zem noch in Ver­wen­dung war. Vor allem eini­ge der spe­zi­el­len Werk­zeu­ge ent­deck­te er bei sei­nem Rundgang.

So konn­te er einen Ger­ber­baum, Scher­baum oder Schab­baum, diver­se Schab­ei­sen und Scher­de­gen, Blan­chierei­sen und Pan­tof­fel­höl­zer fest­hal­ten. Begrif­fe, mit denen heu­te wohl die wenigs­ten noch etwas anfan­gen können.

Nach dem Ende des Ger­be­rei-Betriebs war das Haus eini­ge Jah­re im Besitz der Gemein­de, und es gab Über­le­gun­gen, wie es am bes­ten zu nut­zen sei. Wie man an den Bil­dern erken­nen kann: Der Reno­vie­rungs­auf­wand ist jeden­falls enorm. Den­noch fand sich vor rund einem Jahr ein Käu­fer für das Gebäu­de, das in Kür­ze wie­der mit Leben gefüllt wird. Die Details dazu fol­gen in einer der nächs­ten Aus­ga­ben des „Boten“.