Fotos (12): Steinbichler

.. nein, unser aktu­el­ler „Lost Place“ ist nicht davon­ge­lau­fen. Er wur­de behut­sam, Stück für Stück, eini­ge hun­dert Meter Luft­li­nie „ver­pflanzt“. Rich­tig, es geht um ein Gebäu­de. Um ein im gesam­ten Ost­al­pen­raum ein­zig­ar­ti­ges Gebäu­de. Und des­halb wur­de der „Tann­bau­er“ aus dem Wald am Fuße von Schloss Krum­bach ins Muse­ums­dorf ver­frach­tet, wo sei­ne Beson­der­heit nun einem gro­ßen Publi­kum zugäng­lich gemacht wird. Unser „Lost Places“-Fotograf Mar­kus Stein­bich­ler hat sen­sa­tio­nel­le Vor­her-nach­her-Fotos gemacht.

Der „Tann­bau­er“, der der­zeit im Muse­ums­dorf Krum­bach den letz­ten Schliff bekommt, ist ein Mit­tel­flur­wohn­spei­cher­haus. Ab dem Spät­mit­tel­al­ter war es das typi­sche bäu­er­li­che Wohn­haus im öst­li­chen Mit­tel­eu­ro­pa. Erst­mals gab es bei die­ser Wohn­form eine Tren­nung der funk­tio­na­len Räu­me. Gab es frü­her nur eine „Rauch­kuchl“, in der sich das gesam­te Leben abspiel­te und die ihren Namen auch ver­dient hat­te, wur­den hier eine rauch­freie Kachel­ofen­stu­be, Rauch­kü­che und Schlaf­kam­mer getrennt. Frei­lich stand das pri­va­te Schlaf­ge­mach nur der Herr­schaft zu, der Rest der Bewoh­ner schlief in der Stu­be. Dies ist eine wei­te­re Beson­der­heit, denn als Teil der ehe­ma­li­gen Herr­schafts­häu­ser von Krum­bach war der „Tann­bau­er“ beson­ders hoch­wer­tig ausgestattet.

Dass es in der Gemein­de eine sol­che his­to­ri­sche Beson­der­heit gibt, war lan­ge nicht klar. Da war es ein­fach ein Haus, das dem Ver­fall preis­ge­ge­ben war, denn bewohnt war das Gebäu­de nur bis 1949. Schließ­lich wur­de aber das Bun­des­denk­mal­amt auf den „Lost Places“-Schatz auf­merk­sam und infor­mier­te die Gemein­de dar­über. Was also tun? Gemein­sam wur­den Über­le­gun­gen ange­stellt, wie man die­ses ganz beson­de­re Haus vor dem Ver­fall ret­ten könn­te. Und kam schließ­lich auf eine unglaub­li­che Lösungs­mög­lich­keit: Das Haus zieht um. Stein für Stein, Holz für Holz wur­de das vor­han­de­ne Mate­ri­al am Fuße des Krum­ba­cher Burg­bergs abge­tra­gen, num­me­riert und ins Muse­ums­dorf trans­por­tiert. Stets unter den wach­sa­men Augen der Exper­ten des Bundesdenkmalamtes. 

Stein auf Stein

Im Som­mer 2016 wur­de das gebor­ge­ne Mate­ri­al schließ­lich ins nahe gele­ge­ne Muse­ums­dorf von Krum­bach gelie­fert. Nach­dem zunächst eine Bau­gru­be für den Kel­ler aus­ge­ho­ben wur­de, ging es zunächst nach moder­nen Metho­den wei­ter: Ein Fun­da­ment wur­de beto­niert, ein Zuge­ständ­nis an die Sta­tik. Ab dann ging es aber mit den Exper­ten von Archeo-Ser­wis ganz tra­di­tio­nell weiter.

Im Sep­tem­ber 2016 wur­de Stein für Stein mit dem mühe­vol­len, ori­gi­nal­ge­treu­en Auf­bau begon­nen. Bei unse­rem Lokal­au­gen­schein vor Ort im März war von die­sen Mühen nichts mehr zu sehen. Das „neue alte Haus“ stand in vol­ler Pracht im Muse­ums­dorf, letz­te Arbei­ten am Schin­del­dach wur­den gera­de erle­digt. Und wenn der Krum­ba­cher Kul­tur­ge­mein­de­rat und Pro­jekt­ver­ant­wort­li­che Rai­ner Holz­bau­er von den Arbei­ten erzählt, dann kann man es kaum glau­ben, wenn man das fer­ti­ge Ergeb­nis sieht. So wur­de etwa der gesam­te Putz des Hau­ses Stück für Stück abge­spach­telt (wer schon ein­mal ver­sucht hat, eine Tape­te zu ent­fer­nen, kann die Mühen viel­leicht erah­nen) und am neu­en Stand­ort wie­der auf­ge­tra­gen. Zu sehen ist davon nichts mehr. Das Haus steht da, als ob es das schon seit über 500 Jah­ren tun würde.

Das Häus­chen wird bald fer­tig sein

Vie­le Details wie die Ori­gi­nal-Segens­zei­chen an der Haus­wand, die Ver­zie­run­gen an der Türe oder eine But­zen­schei­be, die anhand von Bruch­stü­cken einer erhal­te­nen Schei­be nach­ge­baut wur­de, erzäh­len eine Geschich­te aus längst ver­gan­ge­nen Zei­ten. Mitt­ler­wei­le wur­de auch schon der Lehmstampf­bo­den fer­tig­ge­stellt, und in wei­te­rer Fol­ge wird auch ein ori­gi­nal­ge­treu­er Kachel­ofen aufgebaut. 

Im Spei­cher­kel­ler, der für die Auf­be­wah­rung von hoch­wer­ti­gem Saat­gut genutzt wur­de, befin­det sich ein Holz­bo­den anstel­le des Ori­gi­nal-Est­richs und – für die His­to­ri­ker beson­ders bemer­kens­wert – klei­ne Nischen aus Ton, in denen wich­ti­ge Din­ge auf­be­wahrt wur­den. Sozu­sa­gen das Schlüs­selk­as­terl des Spät­mit­tel­al­ters. Da in die­sem Raum auch Gold­fä­den gefun­den wur­den, geht man davon aus, dass hier spä­ter eine Herr­schafts­schnei­de­rei behei­ma­tet war. Trotz aller his­to­ri­scher Genau­ig­keit ist der „Tann­bau­er“ nun Teil des Muse­ums­dor­fes und soll als sol­cher auch für Besu­cher zugäng­lich sein. Und dafür wird auch Infra­struk­tur benö­tigt. Steck­do­sen oder Licht­schal­ter wird man hier aber natür­lich kei­ne fin­den. Die gesam­te Tech­nik wur­de geschickt ver­steckt. Zu sehen gibt es neben dem Haus selbst auch eini­ge Ein­rich­tungs­ge­gen­stän­de, die man ret­ten konnte.

Wenn alles fer­tig­ge­stellt ist, dann ist der „Tann­bau­er“ das wohl ein­zi­ge „neue“ Haus, das vom Bun­des­denk­mal­amt umge­hend unter Denk­mal­schutz gestellt wird.


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