Hermann Bernsteiner untersuchte das Geschehen rund um Ostern vor 75 Jahren / Foto: Rehberger

Hermann Bernsteiner hat schon viele historische Untersuchungen über seine Heimatgemeinde Grimmenstein und darüber hinaus angestellt. In der „Corona-Zeit“ und zum „Jubiläumsjahr 75 Jahre Kriegsende“ hat er nach historischen Begebenheiten geforscht – und aufzuzeigen versucht, wie Menschen damals und heute mit besonderen Umständen umgegangen sind bzw. umgehen. Und er ist fündig geworden.

„Ich habe nach einer sinnvollen Beschäftigung in der Corona-Zeit gesucht“, so Hermann Bernsteiner zu seinen Beweggründen, erneut eine „Zeitreise“ in der Region anzutreten. Rund um Ostern, als man merkte, wie schwer es den Menschen fällt, dass Kirchenfeste und Familienfeiern aufgrund der Pandemie nicht stattfinden konnten, beschloss er, sich mit dieser Zeit vor 75 Jahren auseinanderzusetzen. Wie war das damals, Ostern 1945? „Die für mich einschneidendste Erkenntnis war, als ich über die Flüchtlingsströme gelesen habe, die auch durch Grimmenstein gekommen sind. Das Tragische dieser Situation, als so viele Menschen durch den Ort gegangen sind, dass man kaum auf die andere Straßenseite gelangen konnte“, so Bernsteiner. Daran sehe man auch, trotz aller Corona-Einschränkungen, dass es den Menschen vor 75 Jahren viel schlechter gegangen sei.

Spurensuche

Für seine Recherchen bediente sich Bernsteiner nicht nur Fachliteratur zum Kriegsende, sondern fand auch interessante Aufzeichnungen in der Schulchronik der Volks- und Hauptschule Edlitz. Darin beschrieb Hans Macho, langjähriger Volksschuldirektor und verdienter Musiker, die damalige Situation aus seiner Sicht. Diese gibt auch einen Einblick in eine Denkweise, die aus heutiger Sicht schwer nachzuvollziehen ist: „Fast Unmenschliches leisteten unsere Braven an den Fronten. Zermürbend aber waren die nun fast täglichen Luftangriffe der Nordamerikaner. (…) Das, was man schon lange fürchtete, trat ein. Amerika wurde durch seine schweren Angriffe aus der Luft der Wegbereiter der bolschewistischen Massen, die schon nahe an unseren Grenzen in Westungarn standen.“

Auch die letzten Gefechte in der Region im Februar und März 1945 wurden von Macho in der Chronik genau beschrieben. „Am 18. Februar fielen Bomben in Hütten. (…) Am 2. März fielen sechs Bomben auf die Felder des Bauern Ungersböck in Hütten, wodurch an den Häusern bis herauf nach Grimmenstein viele Fensterscheiben eingedrückt wurden. Am 14. März war Großangriff auf Wr. Neustadt, wodurch das Elektrizitätswerk getroffen wurde, das den Strom für Edlitz liefert; daher hatten von nun an der Markt Edlitz und Grimmenstein kein Licht mehr.“

Flüchtlingsstrom

Rund um Ostern ist in der Schulchronik aus dem Jahr 1945 nachzulesen: „Vom Mittwoch in der Karwoche (28. März 1945) an strömten ununterbrochen Flüchtlinge von Kirchschlag kommend durch unser Tal; Fußgänger mit Rucksäcken und Handwagerl, Ochsen- und Pferdefuhrwerke, Autos aller Art belebten so stark unsere Straße, dass es nicht leicht war, sich durch diesen Wirrwarr hindurchzufinden. (…) Am Gründonnerstag trieb man auch schon Viehherden durch, das Bild wurde immer bunter, aber auch trostloser. (…) Die Edlitzer standen an den Straßenrändern und ließen diesen traurigen Zug, der nicht enden wollte, an sich vorbeigehen. (…) Allmählich begriff man auch bei uns den Ernst der Lage und es begann ein emsiges Packen, Vergraben und Verräumen.“

Vertragsverhandlungen

Am 29. März 1945 erreichte die Rote Armee die Grenze zu Österreich. Am 30. März besetzten die Russen innerhalb eines Tages die Bucklige Welt. Bei seinen Nachforschungen, was dann geschah, wurde Hermann Bernsteiner von Historiker Johann Hagenhofer unterstützt. Der Hochwolkersdorfer hat zahlreiches Material und viele Dokumente über die Vertragsverhandlungen zwischen Karl Renner und den Sowjets, die in Hochwolkersdorf ihren Anfang genommen haben.

Am 4. April kommt es vormittags zum ersten Zusammentreffen Renners mit Marschall Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin und Polit-Offizier Zeltov. Um 14 Uhr geht ein Telegramm von Hochwolkersdorf nach Moskau. Um 20.30 Uhr kommt die Antwort von Stalin und Antonov: Karl Renner solle eine Regierung bilden. Bernsteiner: „Am 20. Dezember 1945 wählt die Bundesversammlung Karl Renner einstimmig zum ersten Bundespräsidenten der Zweiten Republik. Er bekleidet das Amt bis zu seinem Tod am 31. Dezember 1950.“