Foto: Steinbichler

Manche unserer vergessenen Orte sind unserem Fotografen Markus Steinbichler schon in seiner Kindheit aufgefallen. Am Weg nach Hochneukirchen faszinierte ihn ein großes altes Gebäude am Straßenrand, auf dem wenig sagend nur „Kothmühle“ stand. Schon damals versuchte er sich vorzustellen, wie es hinter den verschlossenen Türen wohl aussehen möge und welche Geschichte die alten Mauern erzählen würden. Nun, nach knapp 30 Jahren, haben sich diese Türen im „Mühlental“ des Hochneukirchenbaches geöffnet.

Wie in vielen Tälern der Buckligen Welt reihte sich auch im Tal des Hochneukirchenbaches eine Mühle an die andere: Noch heute sind nicht nur die Namen Kranzmühle, Rodlmühle, Trettlermühle und Kothmühle in Landkarten zu finden, sondern auch die meisten Gebäude stehen selbst noch vor Ort. Manche sind zu Wohnhäusern umgebaut worden oder werden anderweitig neu genutzt, andere sind in einen Dornröschenschlaf gefallen. So auch die Kothmühle, die letzte Mühle am Bach vor der Grenze zur Steiermark. Sie liegt an der Einmündung des Spannaubaches und an der Straßenkreuzung Richtung Schlag bzw. Zöbern. Über die Geschichte der Kothmühle und ihrer „Nachbarinnen“ berichtet die liebevoll gestaltete Publikation „Es klapperten die Mühlen“ des Heimatforschers und -dichters Karl Lackner aus Hattmannsdorf. Gemeinsam mit anderen Schriften Lackners ist sie in der „Genuss-Tankstelle“ in Hochneukirchen erhältlich.

Aus der Geschichte einer Herrschaftsmühle

Die früheste Nennung eines Müllers auf der „Coatmill“ stammt aus dem Jahr 1645. Der Vulgo-Name „Kothmühle“ dürfte von Pfütze oder Sumpflacke herrühren – ein Hinweis auf den immer schon feuchten und wasserreichen Standort am Zusammenfluss zweier Bäche. Auch in alten Katasterkarten der Region – etwa dem zwischen 1817 bis 1861 entstandenen „Franziszeischen Kataster“ – sind Mühle, Mühlbach und zahlreiche Nebengebäude detailgetreu eingetragen.

Ihre Geschichte ist untrennbar mit der Herrschaft Ziegersberg verbunden. Die namensgebende Burg aus dem 13. Jahrhundert bewacht vier Kilometer nördlich der Mühle die Straße nach Zöbern. Nach zahlreichen Besitzerwechseln erwarb der Wiener Hof- und Gerichtsadvokat Jakob Singer die Herrschaft und ließ von 1896 bis 1897 einen Meierhof in Schlag als prächtigen Gutsherrensitz ausbauen – das bis heute so genannte „Schloss Ziegersberg“. Mit dem Schloss und vor allem der 1926 erbauten Gutsverwaltung in Schlag hat die Kothmühle bis heute die herrschaftliche Ausgestaltung gemein: Fassade in Schönbrunner Gelb, dunkelgrüne Fensterrahmen und schwarze, bogenförmige Außenlampen an den Wänden.

Getreide und Holz

Wie viele Mühlen erfüllte auch die Kothmühle mehr als nur eine Funktion: Neben dem Mahlen von Getreide gab es auch eine Säge inklusive Holzhandel. Im zweiten Trakt des Gebäudes wurde von Pächtern auch ein Gasthaus betrieben. Auf Singer folgte Familie Brunner als Besitzer, 1940 wurde die Herrschaft Ziegersberg (und damit die Mühle) arisiert. Nach dem Krieg erfolgte die Rückstellung; die Mühle und das Gasthaus dürften noch bis in die 1960er-Jahre in Betrieb gewesen sein.

In den 1980er-Jahren wechselte die Mühle als Bestandteil einer land- und forstwirtschaftlichen Fläche zum letzten Mal die Besitzer. Für das Gebäude selbst fand sich bislang keine geeignete Verwendung, die Suche nach einem Käufer oder Nutzer für die historisch bedeutende Mühle blieb ohne Erfolg.

Ein Rundgang durch das Mühlengebäude


Auch in Markus Steinbichlers frühesten Erinnerungen aus den 1980er-Jahren stand die Mühle immer schon leer. Der Rundgang mit der Kamera bot ihm nach knapp 30 Jahren endlich Einblick und stillte seine bis heute kindliche Neugier für alte Mauern: „Besonders beeindruckend ist der Trakt, in dem die Mühle untergebracht war. Es wimmelt darin nur so von Antriebsädern, hölzernen Schächten und riesigen Mahlwerken.“

Vom Mühlrad mit seinen sechs Metern Durchmesser ist heute nichts mehr zu sehen. Sein Gegenstück im Inneren der Mühle, das große „Kampfrad“ genannte Zahnrad, ist noch vorhanden. Es trieb über ein Räderwerk und Transmissionsriemen alle Walzenstühle, Siebe und Elevatoren zum Korntransport an. In wasserarmen Zeiten sorgte ein Dieselmotor für Antriebskraft. Im zweiten Trakt befand sich über mächtigen Kellergewölben das Gasthaus. Noch heute zeugt die Küche mit dem riesigen blau gekachelten Herd davon, daneben dürften sich die Gastzimmer befunden haben. Steinbichler hofft, dass die Kothmühle sich vielleicht eines Tages doch noch neu erfinden darf. Schöne Beispiele dafür gibt es ringsum im „Mühlental“ des Hochneukirchenbaches immerhin einige.

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