Irene Neumann-Hartberger im Gespräch mit dem „Boten“. Auch als Bundesbäuerin will sie der Buckligen Welt verbunden bleiben, wie hier beim Genuss-Markt in Lanzenkirchen. / Foto: Schmidt

Irene Neumann-Hartberger (46) ist seit Mitte April neue Vorsitzende der ARGE Bäuerinnen. Als Bundesbäuerin will sich die Nationalratsabgeordnete aus Stollhof (Gemeinde Hohe Wand) der Entwicklung des ländlichen Raumes und der Innovationskraft auf landwirtschaftlichen Betrieben widmen. Mit dem „Boten“ sprach sie über ihre Agenda und was das mit der Buckligen Welt zu tun hat.

Bote: Zunächst einmal: Was verbindet Sie mit der Buckligen Welt?

Neumann-Hartberger: Ich hatte in der Buckligen Welt von Anfang an viele Unterstützer und habe mich hier immer sehr willkommen gefühlt. Ich habe auch vor, mich weiter um meine „Home-Base“ zu kümmern. Ich werde auch in Zukunft wissen, wo ich herkomme und da immer wieder gerne unterwegs sein, so wie ich das bisher auch gemacht habe.

Bote: Zuvor als NÖ Landesbäuerin tätig, wurden Sie nun zur Bundesbäuerin gewählt: Wie unterscheidet sich die Arbeit?

Neumann-Hartberger: Sie unterscheidet sich inhaltlich kaum, aber wurde ausgedehnt auf das ganze Bundesgebiet. Mein Hauptanliegen ist – die Bundesländer sind ja durchaus unterschiedlich organsiert bei den Bäuerinnen –, ein einheitliches Bild zu finden und bundesländerübergreifend ein gutes Netzwerk aufzubauen.

Bote: Wo können sich andere Regionen von der Region Bucklige Welt – Wechselland etwas abschauen?

Neumann-Hartberger: Die Bucklige Welt ist für mich ein Vorreiter in Sachen Direktvermarktung, mit Leitbetrieben, die kleineren Betrieben Mut gemacht haben, auch in diese Richtung etwas zu unternehmen. Die Frage der Zukunft wird sein: Wo findet sich die Bucklige Welt in Österreich wieder? Gibt es Regionen in Österreich, die sich mit der Buckligen Welt vergleichen lassen? Als „Land der 1.000 Hügel“ ist die Region eine Marke und wir haben auch andere Regionsmarken in Österreich. Es wird spannend werden, hier Vergleiche zu ziehen und zu schauen, wo man voneinander lernen kann.

Bote: Auf EU-Ebene wird die neue „Gemeinsame europäische Agrarpolitik“ (GAP) diskutiert. Stichworte: „Farm to Fork“, „Green Deal“, Herkunftskennzeichnung. Was hat das mit unserer Region zu tun?

Neumann-Hartberger: Ich denke ganz viel. Wir wissen alle, dass die Regionen ohne Ausgleichszahlungen der EU in ihrer Kleinstrukturiertheit nicht bestehen könnten – am Weltmarkt schon gar nicht. Deshalb ist es notwendig, dass wir uns wieder auf das Produzieren vom Hof auf den Tisch besinnen, nämlich „Farm to Fork“. Was den „Green Deal“ betrifft, sind wir in Österreich weit voraus mit den Umweltleistungen. Für das Ziel, in Österreich bis 2040 oder früher klimaneutral unterwegs zu sein, muss aber in der Gesellschaft das Bewusstsein geschaffen werden, sonst können diese Ziele niemals erreicht werden. Da kommt dann die Herkunftskennzeichnung mit ins Spiel: Einkaufen hat etwas mit dem CO2-Rucksack zu tun. Wenn man alleine dadurch CO2 einspart, dass man keine Lebensmittel vom anderen Ende der Welt einkauft, ist das schon ein wertvoller Beitrag.

Bote: Als Konsument greift man unwillkürlich zur günstigeren Ware. Was braucht es in der politischen Arbeit, damit die durch Corona erstarkte Regionalität auch langfristig als Markt gesichert wird?

Neumann-Hartberger: Indem die PR da ansetzt und dieses Bewusstsein, das durch die Krise entstanden ist, hochhält. Und der Konsument sollte relativ schnell erkennen können, welches Produkt tatsächlich von österreichischer Herkunft und welches nur wieder eine Handelsmarke mit rot-weiß-rotem Mascherl ist.

Bote: Die Betriebe der Buckligen Welt waren mit „Sooo gut schmeckt …“ unter den ersten, die ihre Produkte als Direktvermarkter im Supermarkt angeboten haben. Hat das Zukunft?

Neumann-Hartberger: Ich glaube, dass es durchaus Zukunft hat. Der Handel ist aber auch immer in der überlegenen Position, dass er bestimmt, was in seinen Regalen liegt. Trotzdem haben Konsumenten Macht. Sie sind sich dessen aber nicht bewusst. Wenn sie nicht mehr zu Produkten greifen, werden sie langfristig nicht mehr im Regal sein, weil der Handel immer nur das listet, was gekauft wird. Der Handel tut zwar auf regional, aber es gibt trotzdem Ware aus aller Herren Länder. Es bräuchte also ein Fair Play vom Handel.

Bote: Inwiefern kann man das nötige Bewusstsein dafür schon in der Schule transportieren?

Neumann-Hartberger: Die Bäuerinnen bemühen sich seit Jahren mit unterschiedlichsten Angeboten, wie „Vom Korn zum Brot“ oder „der Weg der Milch“, darum, Landwirtschaft in die Schulen zu bringen. Wir versuchen schon den Kleinsten, nämlich in der Volksschule, zu erklären, dass die Lebensmittel nicht im Supermarkt wachsen und dass es eine Produktion gibt.

Bote: Jetzt könnte man sagen: Bei uns in der Region, sehen die Kinder noch Traktoren und die Kühe. Wieso braucht es das?

Neumann-Hartberger: Die Anknüpfungspunkte zur Landwirtschaft sind in den Familien oft trotzdem nicht mehr gegeben. Das war früher noch ganz anders. Durch die geringe Anzahl an Betrieben ist es heute gar nicht möglich, dass jede Familie irgendwo in der Verwandtschaft einen Bauernhof hat. Das Bewusstsein und die Verbindung zur Landwirtschaft sind so in den letzten Jahrzehnten verloren gegangen.

Bote: Wie kann man Jugendlichen heute das Rüstzeug mitgeben, damit sie später Betriebe übernehmen?

Neumann-Hartberger: In der Landwirtschaft ist heute ein gewisses unternehmerisches Denken wichtiger als je zuvor. Was man mit Sicherheit mitgeben muss, ist eine gewisse Eigenverantwortlichkeit, einen Innovationsgeist, seinen eigenen Weg zu gehen oder ihn zu finden. Man muss aber auch bedenken, dass heutzutage die Möglichkeiten durch die Digitalisierung ganz andere sind. Man darf sich dem nicht verwehren. Dass das Geld kostet und auf der anderen Seite wieder erwirtschaftet werden muss, ist auch klar.

Bote: Ein Thema ist da auch die Abwanderung: Wie kann man dieser entgegenwirken?

Neumann-Hartberger: Der politische Auftrag ist, dass der ländliche Lebensraum attraktiv bleiben muss. Wir brauchen – egal ob für Frauen auf den Höfen oder normale Arbeitnehmerinnen – eine Kinderbetreuung, Pflege, Infrastruktur, Arbeitsplätze in den Regionen. Nur aufgrund der Idylle wird es nicht funktionieren. Frauen sind da die Hauptkomponente, denn wenn sie nicht am Land sein wollen, werden auch langfristig die Männer nicht da sein.

Bote: Stichwort Frauenförderung: Die Bundesbäuerinnen setzen sich seit Jahren für Frauen in der Landwirtschaft ein. Was braucht es da noch an Förderungen?

Neumann-Hartberger: Frauen haben mit Sicherheit noch nicht alles erreicht. Sie brauchen Unterstützung im Hinblick darauf, dass wir auch viele Frauen von außerhalb auf die Betriebe bekommen. Frauen, die vorher einen anderen Beruf ausgeübt haben. Das sind oft auch diejenigen, die, wenn sie heiraten und Kinder bekommen, mehr Mut zu Innovation haben, um eigene Betriebsstandbeine aufzubauen. Auch diese Frauen brauchen Unterstützung in der Kinderbetreuung und Verfügbarkeit von Informationen – von Digitalisierung bis Weiterbildung.

Abschließend: Können Sie die Frage, wie es ist, als Frau in einer von Männern dominierten Branche zu arbeiten, überhaupt noch hören?

Neumann-Hartberger: (lacht) Ja, ich kann sie noch hören. Es war für mich aber nie ein Problem und in Zeiten der Partnerschaftlichkeit sind wir hier, glaube ich, auf einem guten Weg. Manchmal ist es sogar leichter in einer männerdominierten Welt zu arbeiten, als nur mit Frauen.

Zur Person:
Irene Neumann-Hartberger bewirtschaftet seit 1995 einen Milchviehbetrieb mit Kalbinnenaufzucht in Stollhof. Sie ist verheiratet und Mutter zweier Söhne. Seit 2010 ist sie Landeskammerrätin der Landwirtschaftskammer NÖ und seit 2020 im Nationalrat vertreten.

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