Das Mariahaus – 2015 / Fotos: Steinbichler

Seit fünf Jahren gestaltet Markus Steinbichler für den „Boten“ Fotoreportagen über historisch interessante Orte und Gebäude in der Region. Begonnen hat alles mit seiner damaligen Leidenschaft für „Lost Places“, also vergessene und verborgene Orte – oftmals schon im Verfall begriffen. Eine Auswahl davon hat es auch in sein Buch „Verloren in Raum und Zeit“ geschafft. In der ersten Buckligen Zeitreise im neuen Jahr besuchte er zwei davon, die zum Glück nicht verloren gegangen sind, sondern wieder in neuem Glanz erstrahlen.

17 verborgene und vergessene Orte in der Buckligen Welt und der näheren Umgebung stellt Markus Steinbichler in seinem 2020 im Verlag Scherz-Kogelbauer erschienenen Buch „Verloren in Raum und Zeit“ in Wort und Bild vor. Einige davon werden gerade wiedererweckt. Prominentestes Beispiel dafür ist das Südbahnhotel am Semmering – der vielleicht bekannteste Ort im Dornröschenschlaf weit und breit. Lange war es unvorstellbar, dass nach über 50 Jahren Leerstand wieder Leben einziehen würde, nun soll ab 2024 die Revitalisierung in Angriff genommen werden. Ein Kunst- und Kulturprogramm zur Öffnung der historischen Räumlichkeiten ist bereits im Vorjahr angelaufen.

Ganz besonders freut Steinbichler, dass drei Bauwerke aus seinem Buch bereits wieder revitalisiert wurden. Eines davon ist die alte Gerberei in Aspang, die nach umfassender Sanierung und ihrem Umbau nun als „Lichti´s Rooms and Appartements“ Gäste aus nah und fern beherbergt. Das Haus bietet nun modern ausgestattete Zimmer, Skistall und Bike-Raum sowie Frühstückraum und Dachterrasse. Ein großer Veranstaltungsraum im beeindruckenden Ziegelgewölbe steht für Veranstaltungen, Workshops und Seminare, aber auch für Feiern zur Verfügung. Die beiden anderen Gebäude, denen in letzter Zeit neues Leben eingehaucht wurde, hat Steinbichler mit seiner Kamera für „Vorher-nachher-Fotos“ wieder besucht.

Im Mariahaus ist wieder Leben eingekehrt

Seine erste Reise ging ins Ofenbachtal in der Gemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg. Hier hat er vor einigen Jahren Fotos eines kleinen, verlassenen Bauernhauses aus dem Jahr 1844 gemacht. 2016 wurde das Gebäude von Lukas und Martina Heilingsetzer erworben und Schritt für Schritt revitalisiert. Schon zuvor haben die beiden ab 1993 aus einem verfallenen Bauernhof ein Stück talaufwärts ein neues stimmungsvolles Zuhause in alten Mauern gemacht.

Das Mariahaus – heute

Das verlassene Haus auf Steinbichlers Fotos durfte sich nach jahrelanger behutsamer Sanierung 2021 als „Mariahaus“ neu erfinden: Es bietet nun einen geschützten Raum der Stille und Erholung für verschiedene Einzel- und Gruppenaktivitäten wie Retreats, Seminare, Yoga- und Meditationsrunden. Im Haus beeindrucken auch nach der Sanierung die unterschiedlichsten Räumlichkeiten mit ihrem historischen Ambiente.

In der alten Rauchkuchl mit Brotbackofen ist die schöne Gewölbedecke immer noch vom offenen Feuer rußgeschwärzt. Highlight der großen Ess- und Wohnstube ist der dicke, mit Schnitzereien verzierte Durchzugsbalken. Ein schiefer Schornstein zieht sich bis ins Dachgeschoss, das vielleicht den größten Wandel vollzogen hat: Aus dunklen „Rumpelkammern“ ist ein großer, heller Seminarraum geworden.

Für eine kurze oder längere Auszeit sowie Urlaub am Bauernhof kann man sich im Maria-haus einmieten. Ebenso sind Schulkassen oder geschlossene Gesellschaften für Feste und Feiern willkommen. Außerdem kann man beim „Woofen“ gegen Kost und Logis für eine gewisse Zeit in der Landwirtschaft der Heilingsetzers mitarbeiten – zu tun gibt es auf den circa acht Hektar Grünland mit rund 1.000 Obstbäumen genug. Alle Infos rund um das Mariahaus unter www.seminare-mariahaus.at.

Neues Leben ist in die alte Stube eingekehrt

Vom stummen Mahnmal zum Ort der Begegnung

Der zweite Besuch führte unseren Fotografen über die Grenzen der Buckligen Welt zum Wiedersehen mit einem einzigartigen Bauwerk: der jahrzehntelang leerstehenden und frisch sanierten Synagoge der einst bedeutenden jüdischen Gemeinde Kobersdorf. Der prächtige Bau im historistischen Stil wurde 1860 feierlich eröffnet und diente als kulturelles, gesellschaftliches und spirituelles Zentrum der Juden im Ort. 1938 wurde die jüdische Bevölkerung vertrieben, die Synagoge geplündert und verwüstet – jedoch nicht zerstört wie die meisten jüdischen Bethäuser in ganz Österreich. Die nächsten 80 Jahre waren von Leerstand und vom Kampf gegen den Verfall geprägt, was sich erst 2019 ändern sollte: Das Land Burgenland erwarb das Gebäude, um mit Planungs- und Sanierungsarbeiten zur dauerhaften Erhaltung zu beginnen. Nach der Generalsanierung wurde die ehemalige Synagoge im April 2022 wiedereröffnet.

Die Synagoge – 2019 und heute

Der Bau entspricht heute wieder dem Zustand zum Zeitpunkt seiner Eröffnung. Die zerstörten Luster wurden auf Grundlage von alten Fotos nachgebaut, die Farben der Wandmalereien und der Fassade entsprechen dem Original von 1860.

Die Synagoge dient nun als Kultur-, Wissenschafts- und Bildungszentrum zur jüdischen Kultur und Geschichte des Burgenlands. Sie stellt ein sichtbares Zeichen für die Bedeutung der jüdischen Gemeinden, aber auch für die unwiederbringlichen – kulturellen wie auch menschlichen – Verluste infolge des brutalen NS-Regimes dar.

Ein Schwerpunkt liegt daher in der Kulturvermittlung für Schulen, um ein Bewusstsein für dieses tragische Stück Zeitgeschichte zu schaffen.

Das Wiedersehen mit der alten Synagoge im neuen Glanz hat auch Markus Steinbichler tief berührt: „Es gibt nichts Schöneres, als wenn ein Ort mit einer so tragischen Vergangenheit nicht verloren gehen muss, denn so kann er seine Geschichte künftigen Generationen weitererzählen.“ Interessierte können die Synagoge wieder ab März bei Veranstaltungen und Führungen besuchen oder besichtigen.

Aufruf:

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