Fotos: Markus Steinbichler

Auf der Suche nach den vergessenen Orten der Buckligen Welt

Das Kino in Kirchschlag

von | Mrz 14, 2018 | Archiv, Region

Wer mit offenen Augen durch die Bucklige Welt geht, der findet viele besondere Schönheiten in der Natur. Manchmal lohnt aber auch ein zweiter Blick. Auf jene Dinge, die vielleicht nicht auf den ersten Blick als Schönheiten zu erkennen sind. Diesen Dingen widmet sich unsere neue Serie „Lost Places“. Gemeinsam mit Markus Steinbichler macht sich der Bote aus der Buckligen Welt auf die Suche nach vergessenen Orten, ihre faszinierenden Geschichten und spannende Gegenwart. Den Anfang macht das Kino von Kirchschlag.

Fast jeder Kirchschlager ab etwa 30 Jahren kann wohl von seinen Erinnerungen an das alte Kino berichten. Anfang der 90er-Jahre flimmerten hier die letzten Blockbuster über die Leinwand. Ein beliebter Treffpunkt für Jung und Alt. Wenn man das Gebäude heute betritt, dann findet man neben jeder Menge Staub der letzten Jahrzehnte aber immer noch das besondere Flair des Lichtspielhauses, das wohl eines der ältesten Niederösterreichs sein dürfte. Reihenweise hölzerne Klappsessel, Samtvorhänge und ein Technikraum, der nicht mehr ganz in die heutige Zeit passt, lassen vergangene Zeiten aufleben, als man um neun Schilling eine Wurstsemmel kaufen konnte. Markus Steinbichler („Bucklige Weltreisen“) ist begeisterter Sucher von solchen „Lost Places“, hält diese in beeindruckenden Bildern fest und wird uns bei unserer neuen Serie mit seinen Aufnahmen begleiten.

Kino im Trend

Das Stadtmuseum Kirchschlag widmet dem Kino einen eigenen kleinen Ausstellungsraum. Darin sind auch die diversen Baupläne zu sehen, die für das Haus gezeichnet wurden, ebenso wie ein Saalplan.

Franziska Thanhauser (geb. Ruprecht) ließ das Kino im Jahr 1919 erbauen – immerhin 78 Sitzplätze in 14 Reihen.

„Nach dem Ersten Weltkrieg sind zahlreiche Kinos in Österreich entstanden. Das Kirchschlager Kino ist sicherlich eines der ältesten“, so Franz P. Wanek vom Stadtmuseum. Der Kirchschlager erinnert sich auch noch an den letzten Film, den er sich hier im Jahr 1989 angesehen hat: „Die nackte Kanone“.

Die knarrenden Sessel, das knistern der Kino-Verpflegung und dann der Filmbeginn – für viele war der Besuch ein ganz besonderes Erlebnis. Das Haus selbst ist mittlerweile aber schon sehr in die Jahre gekommen. Heute ist es im Besitz von Josef Pürer, der an dieser Stelle, mitten im Zentrum von Kirchschlag, ein modernes Gebäude mit Wohn- und Geschäftsflächen errichten will.

Damit das Kino und die vielen Erinnerungen aber nicht ganz in Vergessenheit geraten, möchte er den Einheimischen die Möglichkeit geben, bei einer Art Flohmarkt Andenken des Lichtspielhauses zu erstehen. Die Filmprojektoren wurden übrigens bereits restauriert und der Stadtgemeinde zur Verfügung gestellt. Im letzten Jahr gab es erstmals wieder eine Filmvorführung in der ehemaligen Mikes-Halle. Wie es mit den antiken Stücken weitergeht, ist noch nicht klar, vielleicht findet eines der historischen Abspielgeräte ja seinen Weg ins Stadtmuseum.

 

Wohnen mit Geschichte in Aspang

In unserer nächsten Ausgabe von „Lost Places“ begeben wir uns auf Spurensuche in die Marktgemeinde Aspang, wo Markus Steinbichler rechtzeitig vor den Umbauarbeiten einzigartige Bilder eines alten Hotels gemacht hat.

Vorschau: Das ehemalige Hotel Friesl in Aspang / Foto: Markus Steinbichler

Leserbrief, von Mai 2018

Frau Holzbauer aus Kirchschlag schrieb uns diese netten Zeilen zu unserem „Lost Place“, dem ehemaligen Kino von Kirchschlag (März-Bote). Vielen Dank, dass Sie Ihre Erinnerungen mit uns teilen!

Liebe Frau Rehberger,

Ihr Artikel über das „Kirchschlager Kino“ hat in mir viele Kindheitserinnerungen wachgerufen. Während des Krieges war es wahrscheinlich der einzige Lichtblick, am Sonntag ins Kino zu gehen bzw. zu fahren.

Meine Eltern wohnten damals in der Sägemühle. Sonntag für Sonntag trafen sich die „Somülna“, um mit ihren Fahrrädern nach Kirchschlag ins Kino zu fahren. Es waren hauptsächlich Frauen, denn die Männer waren ja im Krieg. Es waren sicher zehn bis zwanzig Personen, die sich da auf den Weg machten. Der einzige Mann war fast immer Herr Johann Bauer vlg. Sonnleitner, der keinen Film ausließ, da konnte das Wetter noch so schlecht sein. Im Winter spannte er seine Pferde an den Schlitten, und vollbesetzt ging es ab nach Kirchschlag. Die Pferde wurden während des Films im Gasthof Gruber untergestellt.

Für uns Kinder waren die Sonntage nicht so schön, denn wir durften nur ganz ganz selten mitfahren. Die Ausrede unserer Mütter war immer: „Der Film hat Jugendverbot.“ Das mussten wir respektieren, denn an der Frau Ruprecht kam keiner vorbei. Sie sah von ihrem Platz an der Kassa so streng heraus, dass man es gar nicht versucht hätte. Wurden wir doch einmal mitgenommen, mussten wir ziemlich leiden. Entweder saß man am Fahrrad auf der Stange oder am „Paklträger“! Beides war ziemlich mühsam. Die Stange schnitt höllisch ein, und am „Paklträger“ musste man während der ganzen Fahrt die Beine abspreizen, damit man nicht in die Kette kam.

Aber schön war es trotzdem! Der letzte Film, den ich in Kirchschlag gesehen habe, muss aus ca. 1946 gewesen sein. Ich war damals ungefähr 11 Jahre alt. Den Hauptfilm weiß ich nicht mehr, aber der Vorfilm hieß „Todesmühlen“ und zeigte, wie amerikanische Soldaten in ein Konzentrationslager kamen.

Nackte, ausgemergelte Menschen kamen ihnen entgegen, und Leichen lagen wie auf einem Holzhaufen aufgestapelt da. Ich war so geschockt, hatte lange Zeit Albträume und kann den grausigen Anblick bis heute nicht vergessen.

Das sind meine Erinnerungen ans Kirchschlager Kino.

Liebe Grüße Erna Holzbauer