Ein For­schungs­team rund um Dr. Gert Dressel, Dr. Johann Hagen­ho­fer und Dr. Wer­ner Sulz­gru­ber hat das Leben der jüdi­schen Fami­li­en in der Regi­on erforscht. Die Ergeb­nis­se wer­den 2019 im Muse­um für Zeit­ge­schich­te in Bad Erlach präsent­iert. Der Bote aus der Buck­li­gen Welt bie­tet im Rah­men einer Serie schon jetzt einen Ein­blick in die span­nen­den Ergebnisse.

Webe­rei in Trat­ten­bach (Hugo Char­le­mont, 1898) / Foto: Wolf­gang Hafer

Die Maut­ners am End’ der Welt in Trat­ten­bach: Idyl­le mit Ablaufdatum

von | Sep 6, 2018 | Archiv

Die jüdi­sche Fami­lie Maut­ner bau­te einen der größ­ten Tex­til­kon­zer­ne Euro­pas auf. Ein klei­ner Teil der Geschich­te einer gro­ßen Unter­neh­mer­dy­nas­tie, die wesent­lich die Indus­trie- und Wirt­schafts­ge­schich­te sowohl der Mon­ar­chie als auch der Ers­ten Repu­blik mit­präg­te, wur­de auch in dem klei­nen Ort Trat­ten­bach im Wech­sel­land geschrie­ben. Chris­ti­an Mor­gen­bes­ser erforsch­te das Schick­sal der Fami­lie eben­so wie ihr Wir­ken in der Regi­on. Die Ergeb­nis­se wer­den im Muse­um für Zeit­ge­schich­te in Bad Erlach zu sehen sein und ein klei­ner Aus­schnitt schon jetzt im Boten.

Die Fami­lie Maut­ner hat in Trat­ten­bach deut­li­che Spu­ren hin­ter­las­sen: Jeder, der von Otter­thal kom­mend nach Trat­ten­bach fährt, sieht auf der lin­ken Stra­ßen­sei­te ein drei­ge­schos­si­ges Fabrik­ge­bäu­de mit einem hohen Schlot. Die Objek­te sind heu­te unge­nutzt, und man sieht ihnen an, dass sie bereits in die Jah­re gekom­men sind.

„Die Fra­gen stel­len sich von selbst: Was hat es mit die­sem Gebäu­de auf sich, und von wem wur­de es errich­tet?“, so Mor­gen­bes­ser, der sich auf Spu­ren­su­che begab. So gibt es etwa auch die Maut­ner­stra­ße und das ehe­ma­li­ge Jagd­haus der Maut­ners. Die Fami­lie selbst gibt es aller­dings schon lan­ge nicht mehr in Trat­ten­bach. War­um, und seit wann? Auf die­se Fra­gen galt es Ant­wor­ten zu finden.

Erleich­tert wur­de die Beant­wor­tung die­ser Fra­gen durch ein Buch des His­to­ri­kers Wolf­gang Hafer mit den Titel „Die ande­ren Maut­ners – das Schick­sal einer jüdi­schen Unter­neh­mer­fa­mi­lie“, das 2014 erschien. „Für mich beein­dru­ckend und bis­her in die­ser Dimen­si­on nicht bekannt war die Tat­sa­che, dass die Maut­ners einen der größ­ten Tex­til­kon­zer­ne des Kon­ti­nents auf­bau­ten und die Wirt­schafts­ge­schich­te der Mon­ar­chie und der Ers­ten Repu­blik wesent­lich mit­präg­ten. Und Trat­ten­bach wur­de ein klei­ner Teil die­ser gro­ßen Fami­li­en­ge­schich­te. Das furcht­ba­re und tra­gi­sche Ende Ste­phan Maut­ners und sei­ner Frau Else und das Foto, das Ste­phan Maut­ner bei sei­ner Ankunft in Ausch­witz zeigt, machen tief betrof­fen und haben eine mah­nen­de Wir­kung“, so Mor­gen­bes­ser. Eine wich­ti­ge Quel­le war ein Buch, das Ste­phan Maut­ner selbst geschrie­ben hat und aus dem sei­ne Lie­be zu sei­nem Trat­ten­ba­cher Jagd­haus und zu die­ser Gegend sehr deut­lich her­vor­geht. Er hat das Buch auch mit selbst ange­fer­tig­ten Aqua­rel­len illustriert.

Ein Pro­blem für Mor­gen­bes­ser bei sei­nen Nach­for­schun­gen war es, Zeit­zeu­gen zu fin­den. Die weni­gen, die noch befragt wer­den konn­ten, hat­ten kei­ne Erin­ne­run­gen an die Maut­ners. Sie waren zu die­ser Zeit Kin­der im Volks­schul­al­ter. „Die tat­kräf­ti­ge Mit­ar­beit von Alt­bür­ger­meis­ter Ernst Scha­bau­er war wich­tig für die For­schungs­ar­beit, vor allem, was die Aus­wer­tung der Akten aus dem Lan­des­ar­chiv und die Auf­zeich­nun­gen aus dem Grund­buch betrifft“, erin­nert sich Mor­gen­bes­ser an sei­ne Forschungsarbeit.

Webe­rei und Jagd

Die Geschich­te der Maut­ners in Trat­ten­bach begann 1888, als Isi­dor Maut­ner hier eine Holz­schlei­fe kauf­te, die kurz dar­auf zu einer Webe­rei umge­baut wur­de. Zur Unter­brin­gung der in Böh­men ange­wor­be­nen Tex­til­ar­bei­ter wur­den spä­ter noch sie­ben Arbei­ter­wohn­häu­ser erbaut. Der Stand­ort Trat­ten­bach mit 328 Web­stüh­len war die drit­te Tex­til­fa­brik des Unter­neh­mens. War­um aus­ge­rech­net Trat­ten­bach als Stand­ort für eine Fabrik gewählt wur­de, liegt wahr­schein­lich zum einen an der Nähe zu Wien, zum ande­ren an der gro­ßen Jagd­lei­den­schaft Isi­dor und Ste­phan Maut­ners, der sie hier nach­ge­hen konn­ten. Man konn­te somit Arbeit und Ver­gnü­gen ver­bin­den. Ansons­ten war der Stand­ort für eine Webe­rei eher ungüns­tig, da abge­le­gen, ohne Bahn­an­schluss und ohne tex­ti­le Tradition.

1908 erwarb laut der Trat­ten­ba­cher Orts­chro­nik der „Groß­in­dus­tri­el­le“ Ste­phan Maut­ner um 2.000 Gul­den den Not­na­gel­hof, Trat­ten­bach Nr. 52, der sich in einem schlech­ten Bau­zu­stand befand. Er ließ umfang­rei­che Repa­ra­tur­ar­bei­ten und einen Zubau durch­füh­ren, sodass es ein statt­li­ches Jagd­haus und Som­mer­wohn­sitz mit elek­tri­scher Licht­lei­tung und Tele­fon­ver­bin­dung wur­de. In der Fol­ge kauf­te er wei­te­re fünf Bau­ern­hö­fe und den Fabrik­wald. Um die zumeist getrennt lie­gen­den Besit­zun­gen zu einem zusam­men­hän­gen­den Grund­kom­plex zu ver­bin­den, wur­den auch die dazwi­schen lie­gen­den Grund­strei­fen zuge­kauft, sodass er das Eigen­jagd­recht erhielt. Beim Jagd­haus wur­de eine Gärt­ne­rei ange­legt, die erfolg­reich betrie­ben wurde.

Ste­phan Maut­ner hat­te neben sei­ner Arbeit im Unter­neh­men auch noch ande­re Inter­es­sen. Wie wir schon wis­sen, hat­te er ein bemer­kens­wer­tes Talent als Maler und Schrift­stel­ler. In sei­nem Buch schil­dert er anschau­lich die Land­schaft: „Hast du dir, freund­li­cher Leser, jemals vor­ge­stellt, wo das End’ der Welt eigent­lich ist, und wie es dort aus­sieht? Du wirst es nicht glau­ben wol­len, dass das End’ der Welt knapp 3 Stun­den von Wien ent­fernt und noch in Nie­der­ös­ter­reich zu fin­den ist.“

Flucht und Gefangenschaft

Mit dem Anschluss Öster­reichs an das Deut­sche Reich begann auch für die Fami­lie Maut­ner Repres­si­on und Ver­fol­gung. Bis auf Ste­phan Maut­ner und sei­ner Frau Else gelang allen Mit­glie­dern der Fami­lie Maut­ner die recht­zei­ti­ge Aus­rei­se unter schwie­ri­gen Umstän­den. Die drei Kin­der von Ste­phan und Else Maut­ner, Andre­as, Karl und Eli­sa­beth emi­grier­ten in die USA. 1938 ver­lie­ßen Ste­phan Maut­ner und sei­ne Frau Else Öster­reich und zogen nach Ungarn. Als 1944 auch dort die Nazis ein­fie­len und die Juden ver­folg­ten, dürf­te das Ehe­paar Maut­ner nach Ausch­witz depor­tiert wor­den sein, wo sie in den Gas­kam­mern umge­bracht wur­den. Ihr Schick­sal ist nicht rest­los geklärt.