Ein Forschungsteam rund um Dr. Gert Dressel, Dr. Johann Hagenhofer und Dr. Werner Sulzgruber hat das Leben der jüdischen Familien in der Region erforscht. Die Ergebnisse werden 2019 im Museum für Zeitgeschichte in Bad Erlach präsent­iert. Der Bote aus der Buckligen Welt bietet im Rahmen einer Serie schon jetzt einen Einblick in die spannenden Ergebnisse.

Turmuhrweihe 1928 in St. Corona: Baron Popper-Podhragy steht in der 2. Reihe mittig mit Trachtenjanker; in der 1. R. die 3. von re. ist seine erste Frau, die Opernsängerin Maria Jeritza / Foto: Hans Hantich

Baron Popper-Podhragy als Gönner für St. Corona

von | Okt 11, 2018 | Archiv

Elisabeth Pollice begab sich für das Forschungsprojekt zur jüdischen Geschichte im Land der 1.000 Hügel auf Spurensuche in die Gemeinde St. Corona, wo sie auf das großzüge Wirken von Baron Leopold Popper-Podhragy stieß. Einen Auszug ihrer Forschungen gibt es an dieser Stelle zu lesen. Ab nächstem Jahr ist ihre Arbeit im Museum für Zeitgeschichte in Bad Erlach zu sehen und in einem neuen Buch zum Forschungsprojekt zu lesen.

Als im Jahr 2016 das Projekt „Jüdische Geschichte in der Region“ gestartet wurde, suchten die Initiatoren bzw. Historiker Johann Hagenhofer, Werner Sulzgruber und Gert Dressel Mitarbeiter für die Bearbeitung der einzelnen Gemeinden. Dabei stießen sie auch auf Elisabeth Pollice, die am Gymnasium Sachsenbrunn nicht nur Geschichte, sondern auch Sozialkunde, Politische Bildung sowie Geografie und Wirtschaftskunde unterrichtet. Ihre Forschungsaufgabe lag darin, das Leben des Barons in der Gemeinde St. Corona zu untersuchen.

„Nach ersten Nachforschungen durch Gespräche in der Gemeinde und im Internet habe ich erfahren, dass in der Gemeinde St. Corona Gut und Schloss Unternberg einst dem aus einer jüdischen Familie stammenden Baron Leopold Popper-Podhragy gehörten. Weitere Detailinformationen konnte ich durch Interviews mit Menschen gewinnen, die in der Nachbarschaft des Barons in Unternberg lebten bzw. die viel mit ihm zu tun hatten, etwa bei der Feuerwehr, als Hotelbesitzer oder als Taxiunternehmer“, erinnert sich Frau Pollice an ihre Forschungsarbeit. Weiteres Material fand sie in den Pfarrarchiven St. Corona und Kirchberg, im Gemeindearchiv St. Corona, im Grundbuch Neunkirchen und in der Literatur.

Industriellen-Familie

Leopold Freiherr (Baron) Popper von Podhragy wurde am 17. September 1886 als ältester Sohn des jüdischen Holzindustriellen Alexander Freiherr Popper von Podhragy und seiner Frau, der französischen Konzert- und Opernsängerin Blanche Elisabeth Marchesi, in Wien geboren. Er war damit ein „Halbjude“. Sein Großvater väterlicherseits, Leopold Popper, wurde als größter Holzindustrieller der Habsburgermonarchie 1869 in den ungarischen Adelsstand mit dem Prädikat „von Podhragy“ erhoben und erhielt ein Wappen. 1882 wurde ihm der Freiherrenstand verliehen.

Leopold Popper-Podhragy war nach dem 1. Weltkrieg nicht nur ein Mitglied der höchsten gesellschaftlichen Kreise in Wien, er gehörte damals auch zu den reichsten Österreichern. Von seinem Vater und seinem Onkel hatte er gemeinsam mit seinen beiden Brüdern ein riesiges Vermögen (1923 neun Milliarden Goldkronen) geerbt, das er durch Geschäftstüchtigkeit noch vermehren konnte.

Schloss Unternberg

Dieser finanzkräftige Mann aus der gehobenen Wiener Gesellschaft kam 1924 nach St. Corona am Wechsel. Hier kaufte der Baron 1924 den abgewirtschafteten „Hatzlhof“ in Unternberg. Bürgermeister Josef Fahrner trat dabei als Vermittler auf. Die Gebäude des Bauernhofes ließ er in den Folgejahren neu bauen und als Meierhof von Pächtern bewirtschaften. Auf der Wiese oberhalb des Bauernhauses ließ der Baron eine schlossartige Villa in historischem Stil errichten, die später „Schloss Unternberg“ genannt wurde.  Für die junge Gemeinde St. Corona (Gemeindegründung 1925 durch Trennung von der Gemeinde Feistritz) war das Auftreten von Baron Popper ein großer Glücksfall. Mit ihm und seiner ersten Frau, Maria Jeritza, erhielt die Gemeinde große Gönner. Der Schlossbau brachte für viele Einheimische gute Verdienstmöglichkeiten in einer wirtschaftlich schweren Zeit. Es wurden viele Handwerker, etwa Maurer und Zimmerer, gebraucht. Die Bauern konnten Holz absetzen und machten Fuhrwerksdienste.

Freundschaften mit Einheimischen

Offensichtlich hat es dem Baron und seiner Frau, der Jeritza, sehr gut in St. Corona gefallen, denn sie kamen gerne hierher. Rasch schlossen sie auch mit einigen Einheimischen, beispielsweise mit der Familie Josef Fahrner in Unternberg oder der Familie Hantich in St. Corona, Freundschaften. Von Anfang an machte Baron Leopold Popper-Podhragy großzügige Spenden für die Gemeinde. Bei der Gründung der Freiwilligen Feuerwehr 1926 kaufte er die erste Motorspritze. Zum Dank dafür wurde er zum Ehrenhauptmann ernannt. 1928 schenkten der Baron und seine Frau der Kirche eine neue Turmuhr mit Schlagwerk und eine Glocke. Die Weihe der neuen Kirchturmuhr am 1. Juli 1928 war ein großes Fest in St. Corona, bei dem Baron Popper in Würdigung seiner Verdienste für Gemeinde und Kirche zum Ehrenbürger von St. Corona ernannt wurde.

Verfolgung und Verhaftung

In der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft gehörte Baron Leopold Popper-Podhragy als „Halbjude“, Anhänger der Habsburger und Mitglied einer Widerstandsgruppe zu den Verfolgten. Er wurde mehrmals von der Gestapo verhaftet, am 15. Juli 1939 gelang ihm aber die Flucht nach Paris und weiter nach London, wo er dann die Kriegszeit verbrachte. In Abwesenheit wurde er zum Tode verurteilt. Sein Besitz wurde von den Nazis großteils eingezogen. Ins Schloss Unternberg zog ein Verwalter ein (Vitus Zechner). Arisiert wurde das Schloss aber nicht. Seine wertvolle Waffensammlung, die er im Schloss aufbewahrt hatte, verschwand. 1945 wurde das Schloss von russischen Soldaten ausgeplündert.

1951 kam Leopold Popper-Podhragy aus dem englischen Exil nach Österreich zurück. Von seinem einstigen Vermögen wurde ihm in der Folge nur ein kleiner Teil zurückerstattet. Nach St. Corona kam er dann auch wieder regelmäßig. Er heiratete seine zweite Frau, Maria Bachner, genannt „Mary“, die ursprünglich aus Neunkirchen stammte. Weiterhin war er in der Feuerwehr präsent und zeigte bei Feiern stolz seine Orden auf dem Uniformrock.

Auch seine Spendertätigkeit, vor allem für die Kirche, führte er fort. Im Jahr 1983 verkaufte der 96-jährige Baron sein Schloss und seinen gesamten Besitz in St. Corona und lebte nur mehr in Wien. Er starb am 17. Jänner 1986 in Wien im 100. Lebensjahr.