Kino in Krum­bach / Foto: Mar­kus Steinbichler

Lost Places — Kino schreibt Geschich­te: Die gan­ze Welt in bun­ten Bildern

von | Nov 20, 2018 | Archiv

In unse­rer Serie „Lost Places“ stel­len wir geschichts­träch­ti­ge Gebäu­de aus der Regi­on vor, die ihre bes­ten Zei­ten schon hin­ter sich haben. Foto­graf Mar­kus Stein­bich­ler gelingt es den­noch, den ehe­ma­li­gen Glanz die­ser Häu­ser in sei­nen Bil­dern ein­zu­fan­gen. Am liebs­ten sind uns aber trotz­dem jene Objek­te, die eigent­lich nicht ganz so „ver­lo­ren“ sind, weil sie wie­der­be­lebt wer­den. Ein sol­ches haben wir in Krum­bach mit dem alten Kino der Fami­lie Kersch­bau­mer gefun­den, wo kürz­lich, nach 33 Jah­ren, wie­der ein Film­wo­chen­en­de statt­fand. Fort­set­zung folgt.

Wenn man das Kino in Krum­bach direkt neben dem Frei­bad betritt, dann ist es so, als ob die Zeit ste­hen geblie­ben wäre. Alles ist noch so, wie es 1985 aus­ge­se­hen hat, als der Betrieb ein­ge­stellt wur­de. Der klei­ne Kiosk mit Kar­ten­ver­kauf, die Schau­käs­ten und Film­pla­ka­te und natür­lich der Kino­saal mit Holz­sitz­rei­hen und ‑boden, gedämpf­tem Licht durch die stil­ech­ten Wand­leuch­ten und der Lein­wand hin­ter dem Vor­hang ver­bor­gen. Man betritt eine klei­ne Welt der gro­ßen und klei­nen Stars, der Komö­di­en, Tra­gö­di­en und natür­lich der Italo-Wes­tern, eine der Lieb­lings-Film­gat­tun­gen von Erwin Kerschbaumer.

Als er ein Kind war, ent­schie­den sich sei­ne Eltern, in Krum­bach ein Kino zu eröff­nen. Das war im Jahr 1953, einer Zeit, in der Kinos wie Pil­ze aus dem Boden schos­sen. Auch in der Regi­on. In Kirch­schlag, Grim­men­stein, Hoch­neu­kir­chen, Mönich­kir­chen oder Aspang gab es bereits Licht­spiel­häu­ser, und die Nach­fra­ge war groß.

Kino als Familienbetrieb

So stand Kersch­baum­ers Vater im Vor­führ­raum, sei­ne Mut­ter ver­kauf­te die Kar­ten und die Snacks. Er und sein Bru­der hal­fen beim Kar­ten­ab­rei­ßen. 30, 40 oder 50 Schil­ling kos­te­te eine Kar­te, je nach Sitz­rei­he, als die letz­ten Fil­me über die Lein­wand flimmerten.

Die aller­letz­te Vor­stel­lung war „Angriff ist die bes­te Ver­tei­di­gung“ mit Eddie Mur­phy. Der meist­be­such­te Film war „Sis­si“ mit Romy Schnei­der als jun­ger Kai­se­rin. 750 Besu­cher kamen inner­halb weni­ger Tage, um Ernst Marisch­kas kit­schig-schö­ne Inter­pre­ta­ti­on der öster­rei­chi­schen Mon­ar­chie zu sehen. „Wir hat­ten die Fil­me immer nur für eine Woche. Mein Vater fuhr etwa zwei Mona­te vor­her nach Wien, um sich die Ter­mi­ne aus­zu­ma­chen. Dann hat­ten wir die jewei­li­gen Film­rol­len und spiel­ten zu den Öff­nungs­zei­ten. Anfangs waren das vier Tage, dann drei und gegen Ende nur­mehr die Wochen­en­den. Nach einer Woche muss­te er die Rol­len wie­der ein­pa­cken, nach Grim­men­stein aufs Post­amt brin­gen und zum Ver­leih zurück­schi­cken“, erin­nert sich Kerschbaumer.

Gezeigt wer­den 35-mm-Fil­me mit zwei gro­ßen Pro­jek­to­ren. Der Sockel dürf­te aus dem Jahr 1925 stam­men, der Vor­füh­rer aus den 50ern.

Schluss­strich

Ab dem Jahr 1971 betrie­ben die Kersch­baum­ers auch das Kino in Aspang. Mit dem auf­kom­men leist­ba­rer Fern­se­her, die bald in allen Haus­hal­ten stan­den, schlit­ter­te das Kino aber in eine Exis­tenz­kri­se. Das beka­men auch die regio­na­len Betrei­ber zu spü­ren und irgend­wann wur­de es schwie­rig, die 185 Sitz­plät­ze des Krum­ba­cher Kinos zu fül­len. „Ich woll­te schon immer selbst­stän­dig sein, und da mein Vater Kriegs­in­va­li­de war, hat­ten wir die Chan­ce, zuerst in Wien und spä­ter in Möd­ling, eine Tra­fik zu bekom­men“, so Kersch­bau­mer. Also war 1985 erst­mal Schluss mit dem Kino.

Kersch­bau­mer und sei­ne Fami­lie leben heu­te zwar in Möd­ling, kom­men aber jedes Wochen­en­de zurück in sei­ne Hei­mat. Sein Wohn­haus befin­det sich direkt hin­ter dem Kino.Mit dabei ist auch immer Sohn Mar­kus, der schließ­lich auf die Idee kam, wie­der Leben in das alte Licht­spiel­haus zu brin­gen. „Eigent­lich war es eine Freun­din, der ich das Kino gezeigt habe und die sofort begeis­tert war“, so Mar­kus Kersch­bau­mer. Also setz­te er sich mit dem Film­ar­chiv und dem Film­mu­se­um in Ver­bin­dung, wo es noch die alten 35-mm-Fil­me gibt, und prä­sen­tier­te schließ­lich sei­nem Vater die Idee. „Ich allei­ne hät­te das nicht gemacht, aber als Mar­kus mir die Her­ren vor­ge­stellt hat und die Gesprä­che kon­kre­ter wur­den, war ich auch begeis­tert“, so Kerschbaumer.

Wie­der­be­le­bung mit vie­len Helfern

Bis es so weit war und das Kino wie­der geöff­net wer­den konn­te, muss­te aber viel Arbeit in das Gebäu­de und das Drum­her­um gesteckt wer­den. „Zwar haben wird das Haus immer instand gehal­ten, gelüf­tet und geschaut, dass alles in Ord­nung ist, aber eini­ge Din­ge gab es trotz­dem zu tun. Von der gründ­li­chen Rei­ni­gung über die Instand­set­zung der Pro­jek­to­ren bis zu Sicher­heits­vor­keh­run­gen und Geneh­mi­gun­gen“, so Kersch­bau­mer, der über die Hil­fe sei­tens der Gemein­de, der Tisch­le­rei Gey­er und Elek­tro­tech­nik Oster­mann begeis­tert war. Auch der Film­ex­per­te aus dem Film­ar­chiv stell­te wich­ti­ge Kon­tak­te her, allen vor­an zu einem Vor­füh­rer, der von der Idee begeis­tert war.

400 Besu­cher konn­ten dann am Kino­wo­chen­en­de begrüßt wer­den. Zu sehen gab es „Dir­ty Dancing“ und „Aste­rix“. Und alle waren begeis­tert von der beson­de­ren Atmo­sphä­re. „Das ist kein Kino, wie man es heu­te kennt. Das Publi­kum sitzt im Saal und hört die Vor­füh­rer rat­tern, das ist ein­ma­lig“, so Kersch­bau­mer. Nun plant er, ein- bis zwei­mal pro Jahr eine Vor­füh­rung zu geben. Die nächs­ten Ter­mi­ne sind am 25. und 26. Mai 2019. Einer der Fil­me steht auch schon fest: „Die lin­ke und die rech­te Hand des Teu­fels“ mit Bud Spen­cer und Terence Hill.