BH Markus Sauer bei seiner Antrittsrede in Lanzenkirchen / Foto: Rehberger
Markus Sauer aus Kirchschlag in der Buckligen Welt ist seit Jahresbeginn der neue Bezirkshauptmann für den Bezirk Wiener Neustadt. Wir sprachen mit ihm über seinen beruflichen Aufstieg, die großen Herausforderungen, die nun vor ihm liegen, und welche Reaktionen sein neuer Job in seiner Heimatstadt ausgelöst hat.
Bote: Als neuer Bezirkshauptmann sind Sie an der Spitze der Karriereleiter im Verwaltungsdienst angelangt. Wie sind Sie da hingekommen, wo Sie heute stehen?
Markus Sauer: In die Rolle des Bezirkshauptmannes muss man hineinwachsen, das wird einem nicht in die Wiege gelegt. Die Wenigsten können sich vorstellen, was eine Bezirkshauptmannschaft überhaupt macht.
Bote: Was macht sie denn?
Sauer: Das ist nicht so leicht mit einfachen Worten zu erklären. Ich versuche, es zu skizzieren. Wir sind ähnlich wie ein Gericht, eine Behörde der staatlichen Verwaltung, und wir vollziehen Gesetze des Bundes und der Länder. Wir haben mehrere große Bereiche für unsere Kernagenden. Etwa Bürgerbüro-Leistungen vom Reisepass über den Führerschein bis hin zu Jagdkarten oder L17-Bewilligungen. Bei gewissen Agenden haben wir die Gemeindeaufsicht, wenn etwa im Gemeinderat etwas passiert. Zum Beispiel das Protokoll ist nicht vollständig, die Sitzungseinladung wurde nicht ordnungsgemäß zugestellt, oder es wurden rechtswidrige Beschlüsse gefasst. Bei sämtlichen Wahlen sind wir diejenigen, die die Daten von den Gemeinden einsammeln und an die Landeswahlbehörden weitergeben.
Bote: Bei all den Aufgaben, die Sie erwähnt haben, die ja in einem engen gesetzlichen Rahmen sind, wie viel Spielraum bleibt da Ihnen als Bezirkshauptmann in Ihrem Wirken?
Sauer: Um allen Aufgaben gerecht zu werden, brauche ich Mitarbeiter, sonst schaffe ich das nicht. Einer allein kann den Laden nicht schaukeln. Wir haben hier im Haus 115 Köpfe, die auf der jeweiligen Ebene Experten für ihre speziellen Agenden sind. Die kennen ihre Vorgaben genau und setzen das so um. Wenn es Probleme gibt, komme ich ins Spiel, um diese zu lösen. Die Hauptverantwortung liegt bei mir.
Bote: Sie haben gesagt, in das Amt des Bezirkshauptmannes müsse man erst hineinwachsen. Was wollten Sie in jungen Jahren werden, und wie hat sich Ihre Karriere schließlich entwickelt?
Sauer: Mit 16 Jahren habe ich schon gewusst, ich möchte Jus studieren. Schon davor gab es für mich nur drei interessante Möglichkeiten: Wirtschaft, Medizin oder Recht. Da ich in Chemie und Physik nicht die große Leuchte war, ist Medizin weggefallen, zum Thema Wirtschaft hatte ich wenig Zugang, und so blieb der Bereich Jus. Ich habe das dann zu studieren begonnen, was mir sehr gefallen hat, und später habe ich bemerkt, dass der Teilbereich Verwaltungsrecht mein Kernthema ist. Ich wollte kein Richter oder Rechtsanwalt werden, aber das Verwaltungsrecht hat mich sehr interessiert.
Bote: Was macht diesen Bereich so faszinierend?
Sauer: Es ist der Teilbereich des Rechts, der das menschliche Zusammenleben regelt. Das ist das Faszinierende. Es gibt viele Interessen, Themen und Gruppierungen, und in diesem Bereich eine Art Schiedsrichter zu sein ist eine tolle Aufgabe.
Bote: Das heißt, Sie sind jetzt der oberste Schiedsrichter für den Bezirk Wiener Neustadt?
Sauer (lacht): So ist es. Natürlich etwas plakativ dargestellt, weil die Gemeinden etwa auch eigene Agenden haben, wo wir nicht eingreifen können, aber dort, wo wir zuständig sind, da kann man es so sagen.
Bote: Sie sind ein relativ junger Bezirkshauptmann, da liegt der Gedanke nahe, dass man sich mit Ihnen an der Spitze eine moderne Bezirkshauptmannschaft erwarten kann. Was macht diese für Sie aus?
Sauer: Sie ist offen für Fragen, für neue Themen. Wir müssen im Bereich der Digitalisierung „on top“ sein, das heißt für uns, auch die modernen Medien zu nutzen, Anträge, Formulare und Auskünfte digitalisiert bereitzustellen. Wir versuchen als moderne Behörde auch, die komplexen Zusammenhänge einfach zu erklären. Das ist nicht immer einfach, aber darin liegt mein Fokus, den Menschen zu erklären, was sie brauchen bzw. was wir leisten und auch nicht leisten können. Gerade bei vielen komplexen Rechtsthemen ist es wichtig, diese einfach zu erklären.
Bote: Sie haben bei Ihrer Antrittsrede über die großen Herausforderungen gesprochen, die „3 D“, Digitalisierung, Deregulierung und Dezentralisierung. Was hat es damit auf sich?
Sauer: Im Bereich Deregulierung geht es für uns darum: Wir sind diejenigen, die die beschlossenen Gesetze vollziehen. Wir müssen mit diesen Gesetzen umgehen und den Bürgern erklären, worum es geht. Mir geht es darum, die vielen Vorschriften – und es werden immer mehr – etwas zurückzustutzen. Das Land NÖ hat bereits einige Vorschriften geändert, das ist aber nur ein Teil. Der große Brocken ist das Bundesrecht. Da braucht es Gespräche, und das ist ein langer Prozess. Entsprechende Arbeitsgruppen dazu gibt es bereits.
Bote: Und bei den anderen zwei „D“?
Sauer: Dezentralisierung bedeutet für mich, dass nicht alles bei den Ministerien in Wien bzw. bei der Landesregierung in St. Pölten angesiedelt ist, sondern auch in den Regionen. Da geht es auch darum, dass die Menschen nicht alle nach Wien pendeln müssen, sondern in ihren Regionen arbeiten können, was aufgrund der Digitalisierung auch leichter möglich ist. Bei der Digitalisierung geht es in unserem Bereich darum, dass sämtliche Formulare, die z. B. ein Unternehmer oder ein Landwirt braucht, digital übermittelt werden können. Ein wesentlicher Knackpunkt ist dabei das Thema Sicherheit bzw. Datenschutz.
Bote: Wenn alles nur mehr digital funktionieren soll, müssen ihre Mitarbeiter dann schon Angst um ihren Arbeitsplatz haben?
Sauer: Nein. Mit all diesen Initiativen kann man immer nur einen Teil abdecken. Es wird nie ohne menschliches Gespräch funktionieren. Es wird immer Bereiche geben, wo man persönlich mit den Menschen spricht, wo man ihnen sagt, worum es geht, was man beachten muss. Vor allem wenn es um ein komplizierteres Thema geht.
Bote: Wenn man in relativ jungen Jahren schon Bezirkshauptmann geworden ist, gibt es dann noch weitere berufliche Ziele?
Sauer (lacht): Ich wüsste jetzt nicht, wie es noch weiter nach oben gehen könnte. Diese Position ist das höchste, was man in diesem Bereich erreichen kann. Also nein, es gibt derzeit keine Ziele mehr. Ich habe in meiner Laufbahn die Erfahrung gemacht, nach jeweils fünf bis sieben Jahren zu wechseln, und jetzt bin ich einmal angekommen.
Bote: Sie sind Kirchschlager. Allen voran Bürgermeister Josef Freiler hat bereits betont, dass er sehr stolz darauf ist, dass die Stadtgemeinde nun den Bezirkshauptmann beheimatet. Wie waren die ersten Reaktionen in Ihrem unmittelbaren Umfeld?
Sauer: Natürlich freuen sich die Kirchschlager für mich. Genauso wie ich mich freue, wenn ich von jemandem aus meiner Heimat höre, der Karriere gemacht hat. Wir sind ein relativ kleiner Ort, und umso größer ist dann die Freude, wenn einer einen großen Karriereschritt macht. Es hat sehr viel Schulterklopfen gegeben, und man merkt, dass die Menschen stolz sind, dass „einer von uns“ so weit kommt.