Fotos: Wei­ßen­böck

Mit sie­ben Jah­ren bekam Mar­ti­na Wei­ßen­böck aus Kirch­berg ein Mikro­skop geschenkt. Von da an war ihr Weg vor­ge­zeich­net. Käfer, Flie­gen, Zwie­bel­scha­len und vie­les mehr wur­den genau-
estens unter die Lupe genom­men. Im Real­gym­na­si­um Neun­kir­chen matu­rier­te sie unter ande­rem ver­tie­fend in Bio­lo­gie. Nach ihrem Stu­di­um für Human­bio­lo­gie und Human­ge­ne­tik an der Uni Wien lan­de­te sie 2007 schließ­lich am For­schungs­in­sti­tut für Mole­ku­la­re Patho­lo­gie (IMP), wo sie heu­te mit einem inter­na­tio­na­len Team in der Leuk­ämie­for­schung tätig ist.

Ins­ge­samt beschäf­tigt das For­schungs­in­sti­tut 280 Mit­ar­bei­ter aus 40 Län­dern. Rund 230 Mit­ar­bei­ter sind in 15 For­schungs­grup­pen mit unter­schied­li­chen Schwer­punk­ten tätig. 93 Paten­te wur­den bis jetzt ein­ge­reicht, 60 bis 90 Publi­ka­tio­nen wer­den pro Jahr ver­öf­fent­licht. Mit­ein­an­der kom­mu­ni­ziert wird aus­schließ­lich in Englisch.

Kein ein­fa­cher Start

„Bevor ich hier ange­fan­gen habe zu arbei­ten, war ich im For­schungs­la­bor der Mund‑, Kie­fer- und Gesichts­chir­ur­gie an der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien tätig“, erzählt die Mut­ter zwei­er Söh­ne. „Am IMP habe ich mich damals ‚auf gut Glück‘ bewor­ben. Ein paar Stun­den spä­ter wur­de ich zum Vor­stel­lungs­ge­spräch gela­den“, erin­nert sich die Humanbiologin. 

„Schon nach sechs Wochen begann ich in einer For­schungs­grup­pe rund um die Ent­wick­lung des Ske­lett­sys­tems zu arbei­ten. Das war damals ein Sprung ins kal­te Was­ser“, denkt die Bio­lo­gin zurück. „For­schung auf höchs­tem Niveau, vie­le neue Metho­den, die ich ler­nen muss­te, Kol­le­gen aus der gan­zen Welt – und das alles auf Eng­lisch. In den ers­ten Wochen war ich fast ein biss­chen über­for­dert“, kann Wei­ßen­böck heu­te über die dama­li­ge Situa­ti­on schmunzeln. 

2011 kam der jet­zi­ge Grup­pen­lei­ter Johan­nes Zuber ans IMP, und so kam sie zur Krebs­for­schung. „Zu Beginn bestand das Team nur aus Johan­nes und mir“, lacht Wei­ßen­böck. Mitt­ler­wei­le ist die Mann­schaft auf 14 Mit­ar­bei­ter, dar­un­ter Mole­ku­lar­bio­lo­gen, Gene­ti­ker, Medi­zi­ner und eine Phy­sik­la­bo­ran­tin, angewachsen.

Schwach­stel­len der Krebs­zel­len finden

„Wir wis­sen heu­te, dass es über 100 gene­ti­sche Muta­tio­nen in ver­schie­de­nen Kom­bi­na­tio­nen gibt, die zu Leuk­ämie füh­ren“, erläu­tert Wei­ßen­böck. „Leuk­ämie­zel­len, aber auch ande­re Krebs­zel­len, tei­len sich schnel­ler, haben einen ande­ren Stoff­wech­sel. Wir suchen nach den gene­ti­schen Schwach­stel­len im Krebs. Mit der ‚Haar­na­del-Tech­no­lo­gie‘ ver­su­chen wir her­aus­zu­fin­den, wel­che Gene der Krebs braucht, um zu über­le­ben. Damit kön­nen wir gezielt Gene ‚aus­knip­sen‘ und schau­en, was pas­siert, wie und ob sich die Krebs­zel­len ver­än­dern und zum Bei­spiel in ein Selbst­mord­pro­gramm getrie­ben wer­den“, erzählt die Bio­lo­gin über ihre Arbeit.

Immer am Ball bleiben

„Mei­ne Arbeit gefällt mir des­halb so gut, weil sie sehr abwechs­lungs­reich und inter­es­sant ist. Man muss sich immer wei­ter­bil­den, immer am Lau­fen­den blei­ben, neue Metho­den dazu­ler­nen oder eta­blie­ren. Aber auch das inter­na­tio­na­le Umfeld ist sehr auf­re­gend. Vie­le Kul­tu­ren mit unter­schied­li­chen Men­ta­li­tä­ten kom­men hier zusam­men,“ erzählt die zwei­fa­che Mut­ter, die auch wäh­rend ihrer Baby­pau­sen nie ganz weg von ihrer Tätig­keit war. „Ich habe immer Kon­takt zu mei­nen Kol­le­gen im In- und Aus­land gehal­ten. Wir haben eini­ge Kol­la­bo­ra­tio­nen mit For­schungs­grup­pen auf der gan­zen Welt. Heut­zu­ta­ge funk­tio­niert glück­li­cher­wei­se die Zusam­men­ar­beit welt­weit über die digi­ta­len Medien.“

Hohe Frus­tra­ti­ons­gren­ze

Doch nicht immer funk­tio­niert in der For­schung alles so, wie man es ger­ne hät­te. „Man braucht schon eine hohe Frus­tra­ti­ons­gren­ze, muss mit Rück­schlä­gen umge­hen kön­nen und fle­xi­bel sein. Es ist halt kein Rou­ti­ne­job“, so Wei­ßen­böck mit einem Schmun­zeln. „Nicht immer kommt es zu dem erwar­te­ten Ergeb­nis, aber so sind schon oft neue, wert­vol­le Erkennt­nis­se gewon­nen wor­den, wie zum Bei­spiel die anti­bio­ti­sche Wir­kung des Peni­zil­lins, die im Jahr 1928 eine Zufalls­ent­de­ckung war.“

Mitt­ler­wei­le forscht das Team auch im Bereich Pan­kre­as- (Bauch­spei­chel­drü­se) und Darm­krebs. Mar­ti­na Wei­ßen­böck ist sich ziem­lich sicher: „Es ist schwer, eine Pro­gno­se zu stel­len, aber die letz­ten Ergeb­nis­se sind sehr viel­ver­spre­chend. Irgend­wann kann man den Krebs heilen.“

Mar­ti­na Wei­ßen­böck bei der Arbeit mit einer Zell­kul­tur mit Len­ti­vi­ren. Die Schutz­klei­dung ist not­wen­dig, da die­se Viren durch Ero­sol­bil­dung auch huma­ne Zel­len infi­zie­ren könn­ten.
Foto: Weißenböck