Das baro­cke „Adler­tor“ zur Nadel­burg, Foto: Steinbichler

Unser Foto­graf Mar­kus Stein­bich­ler hat eine Ein­la­dung erhal­ten, die er dank­bar ange­nom­men hat: ins Nadel­burg­mu­se­um nach Lich­ten­wörth. Über drei Gene­ra­tio­nen und mit viel inten­si­ver Arbeit ist hier aus schlich­ten und abge­wohn­ten ehe­ma­li­gen Arbei­ter­woh­nun­gen ein Muse­um über das ein­zig­ar­ti­ge Indus­trie­denk­mal „Nadel­burg“ ent­stan­den. Zwei Räu­me befin­den sich der­zeit noch im „Lost Place“-Zustand, in den nächs­ten Jah­ren wer­den auch sie zu Schau­räu­men für die beein­dru­cken­den Expo­na­te umgebaut.

Für Mar­kus Stein­bich­ler war der Besuch in der Nadel­burg ein Wie­der­se­hen nach 23 Jah­ren: Als Schü­ler der HTL Wie­ner Neu­stadt durf­te er 1997 eine Bau­auf­nah­me des baro­cken Adler­tors machen. Die­se war die Grund­la­ge für eine Sanie­rung des reich ver­zier­ten Tores durch die Schü­ler im Rah­men ihrer prak­ti­schen Aus­bil­dung. Ein Klas­sen­kol­le­ge zeig­te ihm nach geta­ner Arbeit noch etwas ganz Beson­de­res: ein ver­fal­le­nes Gebäu­de im Dickicht der soge­nann­ten „Insel­vil­la“. Die­ser letz­te Rest der Fabri­kan­ten­vil­la „Schloss Nadel­burg“ war einst das Gefolg­schafts­haus, der Wohn­be­reich der Die­ner und Ange­stell­ten. Lei­der war damals das Foto­gra­fie­ren sol­cher Orte noch kei­ne Lei­den­schaft für Stein­bich­ler – die Rui­ne wur­de zwei Jah­re nach sei­nem Besuch abge­ris­sen, heu­te erin­nern Bil­der und ein Modell im Nadel­burg­mu­se­um an die­ses impo­san­te Bau­werk aus dem Jahr 1880.

Maria The­re­si­as baro­cker Industriepark

Doch die Ursprün­ge der Nadel­burg rei­chen viel wei­ter zurück: 1747 begann man in Lich­ten­wörth, erst­ma­lig Gegen­stän­de aus Metall her­zu­stel­len. Ers­te Pro­duk­te waren Näh­na­deln oder etwa Haar­na­deln, die dem Fabrik­kom­plex sei­nen Namen gaben. Zuvor muss­te der Staat sol­che All­tags­ge­gen­stän­de aus dem Aus­land impor­tie­ren; die­sen Umstand woll­te Maria The­re­sia ändern.
In einer Zeit der klei­nen Manu­fak­tur­be­trie­be ent­stand nach und nach ein impo­san­tes Impe­ri­um, in dem über 800 ver­schie­de­ne Gegen­stän­de her­ge­stellt wur­den. Nicht nur Fabrik­ge­bäu­de ent­stan­den, son­dern auch ein­fa­che, eben­erdi­ge Arbei­ter­wohn­häu­ser, die von einem ras­ter­för­mi­gen Stra­ßen­netz erschlos­sen wur­den. Die Haupt­ach­se führt zur eigens für die Sied­lung errich­te­ten Kir­che, auch ein Wirts­haus für die Arbei­ter gab es.

Die Geschich­te der Fabrik nahm über die Jahr­hun­der­te einen erfolg­rei­chen Ver­lauf. Erst nach der Welt­wirt­schafts­kri­se wur­de die Fabrik im Jahr 1930 geschlos­sen, danach begann der Ver­fall der Anla­ge. Eines der ältes­ten Gebäu­de der Nadel­burg, das über 270 Jah­re alte Win­kel­haus, wur­de in den 1980er-Jah­ren noch bewohnt. Bald schon stan­den die­se Sub­stan­dard-Woh­nun­gen leer und der Besit­zer des Hau­ses, Franz Geh­rer, rich­te­te sich ein Muse­um ein. Der rüs­ti­ge Pen­sio­nist sam­mel­te bereits seit sei­ner Jugend alles zur Nadel­burg, fer­tig­te mit beschei­de­nen Mit­teln Bil­der­rah­men und beschrif­te­te die­se. Das pri­va­te Muse­um bot bei der Eröff­nung im Jahr 1984 einen ein­zi­gen Raum mit 20 Qua­drat­me­tern, in dem Herr Geh­rer jeder­zeit Besu­cher emp­fing und Geschich­ten zur Ort­schaft und zum baro­cken Indus­trie­park Nadel­burg erzähl­te. 1997 ver­starb Franz Gehe­rer und am Win­kel­haus nag­te der Zahn der Zeit. In den unzäh­li­gen leer ste­hen­den Räu­men fiel der Kalk­putz von den Wän­den, Böden waren vom Holz­wurm in Mit­lei­den­schaft gezo­gen. Nicht bes­ser erging es den ehe­ma­li­gen Fabrik­hal­len: Die meis­ten wur­den nach und nach abge­ris­sen. Das Muse­um über­nahm zunächst Schwie­ger­sohn Roman Bach­trögl und danach des­sen Sohn Robert, der es bis heu­te lei­tet. Über die Jah­re wur­de es saniert und ein Raum nach dem ande­ren auf über 250 Qua­drat­me­ter Muse­ums­flä­che aus­ge­baut. Die Zahl der Aus­stel­lungs­stü­cke ist schier unüber­schau­bar. His­to­ri­sche Bau­sub­stanz wie alte Böden, Ver­put­ze, Wand­ma­le­rei­en oder Gewöl­be wur­den bewahrt.

36 Jah­re – und kein Ende in Sicht!

Die­se Lieb­ha­be­rei ist inzwi­schen Fami­li­en­tra­di­ti­on. Man hat es sich zur Auf­ga­be gemacht, auf das Gebäu­de zu ach­ten und die Samm­lung immer wei­ter aus­zu­bau­en. „Die Geschich­te der Nadel­burg ist noch nicht zu Ende“, ist sich Robert Bach­trögl sicher. Denn aktu­ell wer­den wie­der zwei Räu­me saniert, die künf­tig als Muse­ums­räu­me die­nen sol­len. Auf dem Dach­bo­den war­ten noch etli­che Expo­na­te auf ihren Platz in der Aus­stel­lung, wenn­gleich auch man­che – wie rie­si­ge Holz­tü­ren aus der Fabri­kan­ten­vil­la – in den nied­ri­gen Räu­men des Win­kel­hau­ses gar kei­nen Platz haben. Abschlie­ßend erin­nert sich der Muse­ums­lei­ter: „Als Kind hat­te ich in die­sem Haus bei mei­nen Groß­el­tern und mei­ner Tan­te eine schö­ne Zeit. Wenn ich dort zu Besuch war als klei­ner Jun­ge etwa um das Jahr 1985 kam es mir eher vor wie 1885, dies wur­de mir erst viel spä­ter bewusst. Ich den­ke es ist gelun­gen, einen Teil die­ser Ver­gan­gen­heit zu kon­ser­vie­ren, das sieht und spürt man in den Räu­men.“

Nähe­re Infos und Ter­min­ver­ein­ba­rung für einen Muse­ums­be­such unter: www.nadelburgmuseum.at

Auf­ruf

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