Ger­tru­de Schweb­isch (Vor­stän­din Spar­kas­se Neun­kir­chen, li.) und Karin Locs­man­di (Geschäfts­füh­re­rin S‑Commerz) / Foto: Rehberger

Was hat „Coro­na“ mit unse­ren Finan­zen gemacht und wie kann man sich den Traum vom Haus über­haupt noch erfül­len? Dar­über spra­chen wir mit Ger­tru­de Schweb­isch (Vor­stän­din Spar­kas­se Neun­kir­chen) und Karin Locs­man­di (Geschäfts­füh­re­rin S‑Commerz). Und auch dar­über, wie es Frau­en bis in die Füh­rungs­eta­gen gro­ßer Unter­neh­men schaffen.

Bote: Mir gegen­über sit­zen zwei abso­lu­te Exper­tin­nen in Sachen Geld und Woh­nen: zwei The­men, die in der Kri­se noch ein­mal an Bedeu­tung gewon­nen haben. Kön­nen Sie die wich­tigs­ten Her­aus­for­de­run­gen und Trends kurz zusammenfassen?

Ger­tru­de Schweb­isch: Für uns ist das einer­seits das The­ma Stun­dun­gen. Und die Unter­neh­mer sind natür­lich beson­ders gefor­dert. Wir haben weit über 1.000 Anträ­ge auf Stun­dun­gen und Über­brü­ckungs­fi­nan­zie­run­gen gehabt. Und die, die Geld haben, wol­len jetzt inves­tie­ren. Die wol­len Woh­nun­gen kau­fen oder bau­en ihre Häu­ser und Woh­nun­gen um. Vie­le haben etwa auch die Zeit des Lock­downs und des Home­of­fice dazu genutzt, ihre Finan­zen auf Vor­der­mann zu brin­gen. Da wur­de nicht nur in den Käs­ten der Früh­jahrs­putz gemacht, son­dern etwa auch bei Ver­si­che­run­gen, Geld­an­la­ge etc.
Karin Locs­man­di: Der Ansturm auf Immo­bi­li­en ist nach wie vor unge­bro­chen. Man merkt, dass die Men­schen zu Hau­se blei­ben möch­ten. Jene, die es schon mit einem Bal­kon oder Gar­ten schön haben, sind zufrie­den und gehen in Rich­tung ver­bes­sern oder umbau­en. Jene, die das noch nicht haben, haben wäh­rend des Lock­downs gese­hen, wie furcht­bar das eigent­lich ist, wenn man 24 Stun­den am Tag in einer Woh­nung „ein­ge­sperrt“ ist. Da ist der Wunsch nach ein biss­chen Grün extrem groß gewor­den. Wir mer­ken es sehr stark anhand der Anfra­gen, die aus Städ­ten wie Wien oder Wie­ner Neu­stadt kommen.

Bote: Wie sieht der Markt für die­se Wün­sche aus?

Locs­man­di: Die Nach­fra­ge ist viel höher als das, was da ist. Wir haben Immo­bi­li­en ein bis zwei Wochen und dann sind sie weg. Wir bie­ten online auch 3D-Visua­li­sie­run­gen an und da gibt es immer öfter Kun­den, die sich das anse­hen und die Immo­bi­lie nur anhand die­ser Dar­stel­lung reser­vie­ren wol­len. Da haben sie das Haus oder die Woh­nung noch gar nicht „in echt“ gese­hen. Teil­wei­se haben wir auch Fäl­le, wo sich poten­zi­el­le Käu­fer gegen­sei­tig zu über­bie­ten ver­su­chen. Man merkt da schon ein wenig eine Angst bei den Men­schen, die in der Regi­on leben. Man sieht jetzt, dass da Städ­ter kom­men, die bereit sind, viel mehr zu zah­len, als das bis­her der Fall war.

Bote: Ist das jetzt ein kurz­fris­ti­ger Zustand oder spre­chen wir da von einer Preisspirale?

Locs­man­di: Es hat 14 Tage nach dem Lock­down begon­nen. Wir haben mehr Anfra­gen als davor und so schnell ist kein Ende in Sicht. Es gibt auch vie­le, etwa weil sie von Kurz­ar­beit betrof­fen sind, die Angst haben, sich ihr Haus nicht mehr leis­ten zu kön­nen. Die ver­kau­fen jetzt und zie­hen in eine klei­ne­re Woh­nung, bevor sie ihren Kre­dit nicht mehr zah­len kön­nen. Denn jetzt ist der Preis beim Immo­bi­li­en­ver­kauf günstig.

Schweb­isch: Man hat die­se Ent­wick­lung auch bei den Bau­prei­sen gese­hen. Dort, wo Bau­land noch rela­tiv güns­tig war, merkt man jetzt, dass die Prei­se anzie­hen. Auch die klas­si­schen 70er-Jah­re-Häu­ser, die bis vor Kur­zem noch nicht so ger­ne gekauft wur­den, weil das Sanie­ren ein gro­ßes The­ma war, sind wie­der sehr gefragt – vor allem bei jun­gen Leu­ten. Die Men­schen neh­men in Kauf, dass sie das Haus viel­leicht ent­ker­nen müs­sen, dafür sind die Lagen die­ser Häu­ser meis­tens ganz gut. Und dar­auf wird geach­tet. Wie weit das von der Stadt weg ist, ist dabei nicht so wich­tig, vor allem wenn sich das Home­of­fice so ent­wi­ckelt, wie das der­zeit der Fall ist.

Bote: Haben es unse­re Eltern bzw. frü­he­re Gene­ra­tio­nen noch leich­ter gehabt, ein Eigen­heim zu kaufen?

Schweb­isch: Ja, ganz sicher. Da, wo etwa ein Erbe vor­han­den ist, da geht es noch. Aber Jun­ge, die sich sozu­sa­gen aus dem Nichts etwas auf­bau­en wol­len, haben es in den letz­ten Jahr­zehn­ten unend­lich viel schwe­rer. Die Jugend denkt aber auch wie­der anders, die brau­chen nicht so viel und auch nicht so gro­ße Häuser.

Bote: Die Bank hat doch die urei­gens­te Auf­ga­be, bei der Erfül­lung von Wohn­träu­men zu hel­fen. Wenn nur wenig am Markt ist und das immer teu­rer wird: Wie kann man sich die­sen Traum über­haupt noch erfüllen?

Schweb­isch: Die Men­schen, die hier auf­ge­wach­sen sind, haben oft einen Rück­halt in der Fami­lie. Da gibt es etwa Gebäu­de oder Grund­stü­cke. Auf der ande­ren Sei­te pas­siert in den Orten selbst sehr viel. Bei­spiels­wei­se in Grim­men­stein, wo jetzt mit­ten im Orts­zen­trum ein tol­les Wohn­pro­jekt ent­steht. Da haben wir als Spar­kas­se eine Ver­mitt­ler­rol­le gespielt. Das wird sich auch ver­stär­ken, dass wir dabei hel­fen, vor­han­de­ne Infra­struk­tur zu bele­ben. Wir neh­men da als Bank die Rol­le eines Netz­wer­kers ein und schau­en, dass wir die Leu­te zusam­men­brin­gen. So ent­ste­hen neue Wohn­mög­lich­kei­ten, die vor allem für die Jun­gen inter­es­sant sind, weil es meis­tens gute För­de­run­gen gibt. Für vie­le Jun­ge ist das auch des­halb eine gute Mög­lich­keit, weil sie oft noch nicht wis­sen, wo es sie ein­mal hin­zie­hen wird. Eine Genos­sen­schafts­woh­nung kann man dann leich­ter zurück­ge­ben als ein Haus.

Locs­man­di: Wir schau­en auch beim Immo­bi­li­en­ver­kauf auf den regio­na­len Aspekt. Zum einen ver­su­chen wir zuerst abzu­klä­ren, ob es viel­leicht in der unmit­tel­ba­ren Umge­bung jeman­den gibt, der Inter­es­se haben könn­te. Dann hän­gen wir die Ange­bo­te in den regio­na­len Filia­len aus und erst im nächs­ten Schritt wer­den die Immo­bi­li­en online für jeden sicht­bar bewor­ben. Wir ver­su­chen aber schon, zuerst regi­ons­in­tern zu verkaufen.

Bote: Wie haben Sie selbst in der Spar­kas­se das The­ma Home­of­fice in die Pra­xis umgesetzt?

Schweb­isch: Das war natür­lich auch bei uns ein gro­ßes The­ma. Wir sind 170 Mit­ar­bei­ter und damit einer der größ­ten Arbeit­ge­ber der Regi­on im Dienst­leis­tungs­be­reich. In den ers­ten drei Wochen des Lock­downs haben wir nor­ma­len Betrieb gehabt, um den Men­schen die Sicher­heit zu geben, dass alle Bank­ge­schäf­te gewohnt ablau­fen. Als die Vor­ga­ben immer stren­ger wur­den, haben wir auf einen 2‑Schicht-Betrieb umge­stellt. Wir sind alle mit der EDV gut aus­ge­stat­tet, sehr vie­les konn­te auch gut von zu Hau­se aus erle­digt wer­den. Natür­lich brau­chen wir in den Filia­len die Leu­te vor Ort. Aber spe­zi­ell was die digi­ta­le Bera­tung betrifft, ändert sich das Kun­den­ver­hal­ten gera­de extrem. Man darf aber auch nicht ver­ges­sen, dass wir ein Motor für die Regi­on sind. Wenn wir hier die Zen­tra­le am Haupt­platz von Neun­kir­chen neh­men: Unse­re Mit­ar­bei­ter kau­fen sich in der Mit­tags­pau­se vor Ort etwas zu essen oder machen klei­ne­re Besor­gun­gen. Das wür­de dann weg­fal­len, wenn sie im Home­of­fice sind. Wir bie­ten bei­des an.

Bote: Was von der Home­of­fice-Zeit wird auch nach der Kri­se bleiben?

Schweb­isch: Wir machen bei­spiels­wei­se Kre­dit­sit­zun­gen, bei denen vie­le Leu­te zusam­men­kom­men müs­sen, die letz­ten Mona­te kom­plett digi­tal. Das ist sehr effi­zi­ent und auch gut für die Umwelt, wenn nie­mand hin- und her­fah­ren muss. Das wird sicher blei­ben. Bei den Mit­ar­bei­tern wer­den wir sehen, wo es gut mög­lich ist und wo ein Tref­fen vor Ort bes­ser ist. Es wird eine Mischung wer­den. Der Druck kommt aber dabei mehr von den Mit­ar­bei­tern, die das zu schät­zen wis­sen, wenn sie nicht mehr pen­deln müs­sen. Auch das Kun­den­ver­hal­ten ändert sich. Coro­na ist für alle Ten­den­zen ein Trei­ber, etwa auch beim Rück­gang von Bar­geld-Trans­ak­tio­nen. Aber natür­lich wird das Fili­al­ge­schäft nach wie vor gebraucht und geschätzt. Daher geht es mehr um die Qua­li­tät der Beratung.

Locs­man­di: Bei uns hat man das nicht so stark gespürt, weil wir vom Immo­bi­li­en-Bereich schon immer sehr fle­xi­bel waren. Bei uns war es ver­stärkt ein The­ma, dass wir digi­tal mög­lichst prä­sent sind – und hier ging es dar­um, das vor­han­de­ne Ange­bot zu ver­bes­sern, weil die Kun­den digi­tal mehr von uns ver­lan­gen. Das führt dazu, dass sich unse­re Mit­ar­bei­ter mehr mit die­sem The­ma aus­ein­an­der­setz­ten müs­sen. Und das bleibt auch.

Bote: Zwei weib­li­che Füh­rungs­kräf­te, in ihrem Fall Vor­stän­din und Geschäfts­füh­re­rin, das ist auch heu­te noch eine Sel­ten­heit in einem Unter­neh­men. Liegt das an der Unter­neh­mens­kul­tur? Oder sind Sie bei­de ganz beson­de­re Kämpfernaturen?

Locs­man­di (lacht): Das sind wir sicher auch!

Schweb­isch: Wir haben schon seit der Grün­dung der Spar­kas­se das Bekennt­nis, etwa zwi­schen Alter oder Geschlecht kei­ne Unter­schie­de zu machen. Allein, es waren in der Ver­gan­gen­heit trotz­dem immer nur Män­ner am Ruder. Das ändert sich lang­sam. Wir haben erst kürz­lich die ers­ten bei­den Frau­en in den Auf­sichts­rat gewählt. Man muss gut sein und ein Quan­terl bes­ser sein, damit man ernst genom­men wird. Man muss aber auch Durch­hal­te­ver­mö­gen haben, sei­ne Arbeit ablie­fern und die Leu­te mit­neh­men. Das gilt aber unab­hän­gig davon, ob Mann oder Frau. Man muss – gera­de im Hin­blick auf die Ver­ein­ba­rung von Fami­lie und Beruf – als Arbeit­ge­ber auch fle­xi­bler wer­den. Wir kämp­fen alle um die bes­ten Fach­kräf­te. Das Schlag­wort lau­tet Diver­si­tät. Nicht nur Mann/​Frau, son­dern auch Alt/​Jung, aber auch unter­schied­li­che sozia­le Hin­ter­grün­de. Es braucht eine gute Mischung und wir müs­sen mit unse­ren Mit­ar­bei­tern ver­su­chen, den Bezirk abzu­bil­den. Da gibt es eben auch Fami­li­en mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund. Die wol­len wir auch abho­len und das geht am bes­ten, wenn sich die­se Diver­si­tät auch bei unse­ren Mit­ar­bei­tern wider­spie­gelt.
Wenn man ein Unter­neh­men lei­tet, muss man aber auch Ecken und Kan­ten haben, sonst geht es nicht. „Everybody‘s Dar­ling is everybody‘s Depp.“ Lieb, brav und flei­ßig allei­ne reicht nicht, um ein Unter­neh­men zu führen.

Locs­man­di: Man muss ruhig auch ein wenig unbe­quem sein. Das gehört auch dazu. Sonst geht man unter.

Hin­ter­grund

• Die Spar­kas­se Neun­kir­chen besteht aus 13 Filia­len im Bezirk mit rund 170 Mit­ar­bei­tern und über 47.000 Kun­den.
• Die 1871 gegrün­de­te Ver­eins­spar­kas­se fei­ert nächs­tes Jahr ihr 150-jäh­ri­ges Jubi­lä­um.
• Die S‑Commerz wur­de vor
30 Jah­ren als 100-pro­zen­ti­ges Toch­ter­un­ter­neh­men gegrün­det und hat ihren Schwer­punkt in der Immo­bi­li­en­ver­mitt­lung im süd­li­chen NÖ.