Marie-Christin und Chrisoph Hendling mit Mutter Gerlinde beim „Homeschooling“; auch Videokonferenzen klappen gut / Foto: Hendling, Tsoch

Ein Jahr Corona-Pandemie bedeutet auch: ein Jahr lang Schulen mehr oder weniger im Ausnahmezustand. Der „Bote“ hat sich angesehen, wie die Situation aussieht, was in diesem letzten Jahr passiert ist und wie es nun, da man langsam und vorsichtig wieder einen Blick in Richtung „Normalität“ wirft, weitergeht. Wir sprachen mit allen Akteuren, von der Bildungsdirektion über Lehrer, Eltern und Schüler bis hin zu den Verantwortlichen des Regionsprojekts „Bildung wächst“ darüber, wohin die Reise geht. Wie geht man damit um, dass ein Jahr lang Unterricht nur unter sehr speziellen Bedingungen möglich war? Wie werden mögliche Bildungs-Defizite aufgeholt und in welche Richtung entwickelt sich die Digitalisierung an den Schulen. Hier geben wir Antworten auf diese und viele weitere Fragen.

Der „Bote“ sprach mit den Vertretern des Schulqualitätsmanagements (SQM) der Bildungsdirektion, Außenstelle Wiener Neustadt, über die aktuelle Situation und weitere Pläne.

Bote: Wir blicken auf ein Jahr Corona-Pandemie zurück. Was waren für Sie rückblickend die größten Herausforderungen im schulischen Bereich?

Abteilungsleiterin SQM OSR Sabine Karl-Moldan: Das Herunterfahren des Präsenzunterrichtes erfolgte im März 2020 unerwartet. Kommunikationskanäle und Lernplattformen wurden eingerichtet. Im Schuljahr 2020/21 war das aufgebaute System sofort startbereit und der Fokus richtete sich auf die Gestaltung der Inhalte in qualitativer und quantitativer Hinsicht.Die Durchführung der Testungen nach den Semesterferien wurden von Eltern und Schülern gut angenommen. Die elektronische Kommunikation war für alle am System Beteiligten eine große Herausforderung und wurde hervorragend gelöst. Videokonferenzen sind mittlerweile zur Normalität geworden.

Bote: Wie sieht die Situation an den Schulen derzeit aus?

Karl-Moldan: Der Unterricht ist, bezogen auf die jetzige Situation, im Primarbereich bis auf einige wenige Ausnahmen regulär. Für die kleinen Kinder ist es wichtig, dass sie in der Schule sind und Freundschaften pflegen können. In der Sekundarstufe I und II läuft zur Zeit der Schichtbetrieb. Durch die neue Form des Unterrichtens werden andere Kompetenzen gefördert: Selbstorganisation, Selbstdisziplin und Eigenverantwortung bzw. Zeitmanagement. Großer Dank gilt sowohl den Erziehungsberechtigten als auch den Pädagoginnen und Pädagogen, die in dieser besonderen Zeit hervorragende Arbeit geleistet haben.

Bote: Die Schulen, Direktoren, Lehrer und Schüler mussten sich innerhalb kürzester Zeit mit dem Thema „Digitales Lernen“ auseinandersetzen. Was davon wird auch in Zukunft bleiben?

SQM Heinz Kerschbaumer: Digitales Lernen ist schon länger Thema an den Schulen. Sicherlich ist im vergangenen Jahr dieser Bereich enorm gefördert worden. Es wurden elektronische Kommunikationssysteme installiert und Lernplattformen für den ortsungebundenen Unterricht verwendet. Vieles davon wird bestimmt nachhaltig sein und auch nach der Krise bleiben. Auch hinsichtlich der digitalen Infrastruktur wurden neue Impulse gesetzt (Leihgeräte, WLAN-Anbindung etc.)

Bote: Wie kann man sich die Zukunft des „Digitalen Lernens“ an den Schulen vorstellen?

Kerschbaumer: Digitales Lernen wird auch in den nächsten Jahren verstärkt Thema an den Schulen sein: In der Sekundarstufe I werden ab dem Schuljahr 2020/21 die Schüler der 5./6. Schulstufe auf Initiative des BMBFW mit Endgeräten ausgestattet. Schulen konnten sich für diese Aktion gemeinsam mit verbindlichen Schulentwicklungskonzepten im Bereich der Digitalisierung anmelden. Dies haben in Niederösterreich über 90 Prozent aller Schulen gemacht.

Bote: Beim „Distance Learning“ wurde von den Schülern viel Eigenständigkeit und Selbst-organisation verlangt – Punkte, die in den „Bildung Wächst“-Schulen in der Buckligen Welt schon vor Corona eine wichtige Rolle gespielt haben. Waren diese nun besser gerüstet?

SQM Michael Dollischal: Schulen, die im Bereich Eigenverantwortung und Selbstorganisation schon vor der Krise aktiv waren, hatten einen Startvorteil. Ob sich das jetzt auf die Schulen von „Bildung Wächst“ beschränkt, kann nicht verallgemeinert werden.

Bote: In der Region hält man an dem „Bildung Wächst“-Projekt fest und will auch weiterhin Schulen, Region und Wirtschaft an einen Tisch holen. Was halten Sie von diesem Projekt?

Dollischal: Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Wirtschaft und Region enorm wichtig und jegliche Initiativen in diesem Bereich werden unterstützt und von den Schulen gerne angenommen. Die Initiative „Bildung Wächst“ reagierte sehr rasch und entwickelte gemeinsam mit der Region Bucklige Welt eine Applikation für Berufsorientierung, die kurz vor dem Start steht und den Schulen als Unterstützung für den BO-Unterricht zur Verfügung gestellt wird. Leider konnten im letzten Jahr viele Aktivitäten pandemiebedingt nicht stattfinden. Die Vorfreude der Schulen auf diverse Angebote ist daher dementsprechend groß.

Bote: Die Schüler sind ganz unterschiedlich mit der Lernsituation zurechtgekommen. Gibt es Angebote für all jene Schüler, die einen Nachholbedarf haben?

SQM RegRätin Christine Pollak: Vom BMBWF wurden die ersten Maßnahmen bereits bekannt gegeben: Es wird im heurigen Jahr wieder die Sommerschule geben. Die Planungen dafür haben bereits jetzt begonnen. Für alle Abschlussklassen der Sekundarstufe II wurden zusätzliche Fördereinheiten zur Verfügung gestellt. Weitere Maßnahmen sind in Planung, Informationen dazu folgen. Abgesehen davon wird der Fokus an den Schulen auf noch mehr Individualisierung gelegt werden. Hier gilt es jeden dort abzuholen, wo er steht, und dementsprechend differenzierte Lernangebote, bezogen auf das Lernniveau abzustimmen.