Foto: Ege­rer

Die ers­te und bis­her umfas­sends­te schrift­li­che Nach­richt von einem Erd­stall in Glei­chen­bach wur­de im Jahr 1879 ver­öf­fent­licht. Doch bis heu­te sind sich auch Exper­ten nicht einig, war­um die­se weit ver­brei­te­ten Erd­stäl­le, die in der gan­zen Buck­li­gen Welt und im Bezirk Neun­kir­chen zu fin­den sind, ange­legt wur­den. Erd­stäl­le sind unter­ir­di­sche Ver­bin­dun­gen zwi­schen meh­re­ren Holz­häu­sern: ein Flucht- und Kel­ler­sys­tem, das in ein­zel­ne, ver­sperr­ba­re Kam­mern geglie­dert war.

Erd­stall bedeu­tet „Stät­te unter der Erde“ oder „Erd­stol­len“ und hat nichts mit Vieh­stäl­len zu tun. Edith Bed­na­rik, lei­der schon ver­stor­ben, war eine der aner­kann­tes­ten Höh­len­for­sche­rin­nen in Öster­reich und hat ein Buch zusam­men­ge­stellt, in dem alle Erd­stäl­le im Höh­len­for­sche­rin­nen Neun­kir­chen, Wie­ner Neu­stadt und dem Bur­gen­land zusam­men­ge­tra­gen sind.

Kind­heits­er­in­ne­run­gen

In Glei­chen­bach sit­zen Georg Hand­ler, Johann Sei­berl, Franz Grill und Hob­by­his­to­ri­ker Hel­mut Gager zusam­men und erzäh­len ihre Erleb­nis­se: Johann Sei­berl erzählt, dass er in der Schu­le von die­sen Erd­stäl­len gehört habe. Sie sei­en 1648 im Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg als Flucht­we­ge und Unter­schlupf ange­legt worden.

Georg Hand­ler seni­or erin­nert sich, dass sich unter ihrem jet­zi­gen Haus ein Erd­stall befand, der unter­ir­disch mit dem Nach­barn ver­bun­den war und 500 Meter bis zum Fal­ly Rie­gel führ­te, wo es auch einen Aus­stieg gab.
Die­sen, bezie­hungs­wei­se die Über­res­te davon konn­te uns der jet­zi­ge Besit­zer, Fami­lie Grill, sogar zei­gen, obwohl er ziem­lich gut im Dickicht ver­steckt liegt. Gefun­den wur­den die Erd­stäl­le beim Bau der neu­en Was­ser­lei­tung 1952; damals ist Georg Hand­ler das ers­te Mal ein­ge­stie­gen. Johann Sei­berl, der damals gera­de 22 Jah­re alt war, erin­nert sich an einen Ein­stieg in einen der­ar­ti­gen Erd­stall: „Die­ser war so eng, dass ich mit aus­ge­streck­ten Armen hin­ein­rut­schen muss­te und nur zu zweit kam man auch wie­der her­aus. Nach ein paar Metern kam eine klei­ne Höh­le, Stie­gen, rechts war ein Brun­nen, an den Wän­den gab es Halterungen.“

In einer alten Aus­ga­be der Wie­ner Abend­post, die Hel­mut Gager besitzt, wur­de ein Arti­kel von Sepp Birn­bau­er ver­öf­fent­licht, der unter ande­rem schreibt: „ […] einen kes­sel­ar­ti­gen drei bis vier Meter wei­ten Raum auf­weist, von dem meh­re­re zir­ka 130 cm hohe und 80 cm brei­te gewölb­te Gän­ge abzwei­gen. Fer­ner führ­te einer der Gän­ge über meh­re­re Stu­fen zu einer Zis­ter­ne und einem Herd. Auf dem Boden fand man ver­streut teils gla­sier­te, teils roh­ge­brann­te Ton­scher­ben. Auch ver­faul­tes Eichen­holz und Holz­koh­len. Nach Ansicht eines Exper­ten könn­ten die­se Gän­ge 1042 ent­stan­den sein, als die Ungarn des öfte­ren die Rän­der der Buck­li­gen Welt ver­wüs­te­ten […]“
Lei­der sind die Ein- und Aus­gän­ge der meis­ten Erd­stäl­le heu­te zuge­schüt­tet, so auch in Gleichenbach. 

Hob­by­his­to­ri­ker Hel­mut Gager bedau­ert das sehr: „Wenn man sich die Lis­te der Erd­stäl­le in der Buck­li­gen Welt und im Wech­sel­land anschaut, immer­hin 60 Orte, ist es scha­de, dass die­se Zeit­do­ku­men­te von der Öffent­lich­keit nicht viel Auf­merk­sam­keit bekom­men. Denn die Leu­te, die sich noch dar­an erin­nern, ster­ben irgend­wann und dann ist das Wis­sen ver­lo­ren. Dabei wäre jeder ein­zel­ne Erd­stall und die dazu­ge­hö­ri­ge Geschich­te eine Erzäh­lung wert“, ist sich Gager sicher.