Grubenhunt vor dem Georgi-Stollen / Foto: Steinbichler

Wer mit offenen Augen nach Pitten kommt, wird bemerken, dass man einen ehemaligen Bergbauort besucht: An jeder Ortseinfahrt steht ein Grubenhunt, mit dem früher Bergleute Gesteinsbrocken aus den Stollen transportierten. Und darauf steht auch ihr Gruß „Glück auf!“ geschrieben. Denn rund um den Pittener Schlossberg wurden rund 160 Jahre lang Abbau und Verhüttung von Eisenerz betrieben. Unser „Zeitreisender“ Markus Steinbichler hat sich auf Spurensuche begeben – und dabei ganz exklusive Einblicke in die Welt unter Tage erhalten!

Der Bergbau in Pitten begann nachweislich im Jahr 1786: Christiana Gräfin Hoyos erhielt die Erlaubnis, Eisenerz abzubauen und vor Ort zu verhütten. Dazu wurden der Josefistollen im Tal sowie weitere Stollen im Eichfeld östlich der Burg angelegt und ein Hochofen errichtet. Das hier erzeugte Roheisen wurde zum Hammerwerk in Mariensee geliefert, aber auch direkt vor Ort weiterverarbeitet. In den Folgejahren kam es zu mehreren Besitzerwechseln, darunter Graf Pergen, der 1804 den Georgi-Stollen mit seinem heute noch erhaltenen Portal an der Wiener Neustädter Straße anlegen ließ. Später führten eisenverarbeitende Industrielle wie Oesterlein, Schöller und Sigl den Berg- und Hüttenbetrieb weiter, der ein wichtiger Arbeitgeber für Pitten war: 1861 wurden etwa 132 Bergleute und 113 Hüttenarbeiter gezählt; gemeinsam mit deren Familien lebten damals gut 1.000 Menschen im Ort vom Bergbau. Das Hüttenwerk mit Erzbahn, Hochofen, Röstofen, Gießerei und Werkstätten befand sich am Ende der heutigen Georgistollengasse – dort heißt es bis heute „Auf der Schmelz“. Hier findet man sogar noch eine „Ofensau“: ein riesiger Klumpen aus Schlackeresten, der unter dem Hochofen übrigblieb. Nach etlichen wirtschaftlichen Krisen und vorübergehender Stilllegung von 1879 bis 1924 wurde der Bergbaubetrieb 1945 endgültig eingestellt; heute gibt es vom Hüttenwerk keine Spuren mehr im Ort.

Der letzte Grubenhunt freut sich auf Besucher

Wer mehr über den Bergbau in Pitten wissen will, ist im Regionsmuseum PIZ 1000 im Ort genau richtig: Im modernen und informativen Ambiente der Ausstellungsräume bekam auch Markus Steinbichler von Kuratorin Elfriede Oswald einen Überblick über die Geschichte rund um das Pittener Eisenerz vermittelt. Ein Schauraum widmet sich dem Thema mit Schautafeln und Exponaten wie etwa dem letzten originalen Grubenhunt aus dem Bergwerk und einer vergrößerten Fotografie, die Bergleute vor dem Georgi-Stollen zeigt. Neben Zahlen, Daten und Fakten zur Bergbaugeschichte beeindrucken alte Stollenkarten, ein bergmännisches Wörterbuch und ein Modell des Hochofens. Ab April können interessierte Besucher wieder im Museum in die spannende Vergangenheit der Region eintauchen. Ganzjährig kann man hingegen den „Historienpfad“ bei einem Ortsspaziergang erkunden, der Eingang zum Georgi-Stollen bildet dabei mit Info-Screen und weiteren Relikten aus dem Bergwerk eine eigene Station.

Exklusive Einblicke in die Welt unter Tage

Dieser sonst unzugängliche Hauptstollen öffnete sich exklusiv für den „Boten“ und für einen „etwas anderen Fototermin“. Markus Steinbichler schildert seine Eindrücke unter Tage so: „Für mich war es ein besonderer Moment, als die Tür offen stand – ich bin schon gefühlt Hunderte von Malen am Portal vorbeigekommen, habe ins Dunkel hinter dem Gitter gespäht und mich gefragt, wie es da drin wohl aussehen mag. Nun ging es tatsächlich Schritt für Schritt in den Berg, eben und geradeaus, durch rötlichen Schlamm und knöcheltiefes Wasser, das aus dem Felsen dringt.“

So gleichförmig der Stollen auch aussehen mag: Er ändert ständig seine Form, hat seitliche Kavernen (als Schutzraum bei Sprengungen), wird mal höher, mal breiter – zuletzt aber immer niedriger, je weiter es in den Berg geht. Tief drinnen stößt man auf große Maschinenräume und Felskammern mit alten Holzstützen. Eine weitere Überraschung: Beim Stollenbau wurde der alte, 140 Meter tief in den Berg gegrabene Burgbrunnen angeschnitten; auch diese Stelle ist sichtbar geblieben.

Felsmassen direkt über dem Kopf

Zur Zeit des Bergwerksbetriebes gab es noch etliche Schächte – in die Tiefe zu weiteren Sohlen, an die Oberfläche zur Bewetterung – und unzählige, oft Hunderte von Metern lange Stollen. Ein wahres Labyrinth durchzog den gesamten Schlossberg. Ein schlotartig vermauerter Schacht mit vereinzelten Eisenklammern führt heute noch vom Georgi-Stollen nach oben ins dunkle Nichts. In mancher Ecke findet man Relikte wie rostige Schienen und leere Holzkisten, in denen seit dem Zweiten Weltkrieg Donarit-Sprengstoff lagerte, bis der Stollen in den Jahren 2001 bis 2003 aufwendig saniert wurde. Steinbichler zu seinen Eindrücken: „So spannend der Einblick auch war, etwas bedrückend ist die Stimmung unter Tage dann doch: eigentlich unvorstellbar, dass einem ungeheure Felsmassen (samt einer Burg obendrauf) unmittelbar über dem Kopf lasten. Und auch die Vorstellung, wie es vor 200 Jahren gewesen sein muss, hier zu arbeiten: nur mit Kerze oder Öllampe in der Hand, die jederzeit erlöschen konnte, unter schwersten Bedingungen wie Hitze, Staub und Atemnot, mit stundenlanger fordernder Handarbeit und unter größten Gefahren – unsicher, ob man am Ende des Arbeitstages seine Familie wiedersehen wird. Auch selbst nach nur einer knappen Stunde wieder ins Freie, ins Helle zu treten, war letztlich ein überraschend befreiendes Gefühl.“

Aufruf
Wenn auch Sie einen historisch interessanten Ort oder ein verlassenes Gebäude mit spannender Geschichte in der Region kennen, erzählen Sie uns davon: redaktion@bote-bw.at