Ein Haus mit Geschichte(n) / Foto: Steinbichler

Manche Gebäude haben eine wechselhafte Geschichte hinter sich und daher mehr zu erzählen als andere: Besitzer und Nutzungen änderten sich ständig, so auch beim Sandhof in Edlitz, der unter anderem Einkehrgasthof, Landsitz eines Diplomaten und Som-merfrische-Quartier war. Später Hühnerfarm, Wohnhaus und zuletzt leerstehend, wird er demnächst für neuen Wohnraum Platz machen – umso wichtiger ist es, seine Geschichte(n) festzuhalten. Diesmal bekam unser Fotograf Markus Steinbichler dabei Unterstützung von einer Gleichgesinnten, die den Bildern längst vergangener Zeiten wieder etwas mehr Farbe einhauchte.

Der Sandhof kann auf eine lange Geschichte zurückblicken: Als „Viertlhof“ gehörte er ursprünglich der steirischen Herrschaft Pernegg, ab 1787 ist mit Simon Scheibenpflug der erste namentlich bekannte Eigentümer. 1813 kauften Jacob und Theresia Schweiger das Haus und führten es als Wirtshaus mit „Fleischhackergerechtigkeit“. Es folgten 1872 mit Baronin Katharina von Tornau und 1909 mit einer Wiener Schneidergenossenschaft zwei besonders interessante Besitzer – dazu später mehr.
Nach dem Ersten Weltkrieg ging der Sandhof durch viele Hände, er dürfte meist als Wohnhaus genutzt worden sein. Ab 1921 betrieben Ing. Hugo und Olga Eberling hier allerdings auch eine Hühnerfarm! Die letzten Jahre stand das Haus leer; immerhin diente es für Löschübungen der umliegenden Feuerwehren – manche Räume bekamen dadurch einen etwas morbiden Charme. Früher oder später wird das Gebäude abgerissen und auf dem gut gelegenen Grundstück soll eine moderne Wohnhausanlage entstehen.

Der Landsitz des russischen Diplomaten

Die bereits erwähnte Baronin von Tornau (oder Tornouw) erwarb den Sandhof als Alterssitz für sich und ihren Gatten, Baron Fjodor Fjodorowitsch Tornau. Der 1810 geborene Adlige war deutsch-baltischer Herkunft und machte Karriere als Offizier in der russischen Armee. In seinem abenteuerlichen Leben nahm er am Russisch-Türkischen Krieg (1828–29) teil, wurde in den Kaukasus versetzt und dort 1836 von Tscherkessen gefangen genommen.

Erst zwei Jahre später gelang ihm die Flucht. Seine Erlebnisse hielt Tornau in autobiografischen Schilderungen fest.
Nach weiteren Stationen am Schwarzen Meer und im Krimkrieg wurde er 1856 nach dem aktiven Dienst als Generalmajor zum Militärattaché an der russischen Botschaft in Wien ernannt.

Über diese Zeit kann man im Buch „Ein Russe im k. u. k. Wien“ von Gennadi E. Kagan lesen, ebenso über die spärlichen Spuren der letzten Lebensjahre von F. F. Tornau in Edlitz. Er dürfte aber hier seine Memoiren verfasst haben, die ihn als klugen, gebildeten und scharfsinnigen Diplomaten zeigen – wenn auch mit einer ordentlichen Portion Ironie für die K.-u.-k.-Hofetikette.

Tornau starb am 7. Januar 1890 im Alter von 80 Jahren in Edlitz. Ob er auch auf dem Ortsfriedhof bestattet wurde, ist ungewiss; ein Grab lässt sich heute jedenfalls nicht mehr finden.

Sommerfrische für böhmische Schneider

1909 erwarben die Schneidermeister Karl und Franz Wanecek den Sandhof für die „Obligatorische Meisterkrankenkasse der Genossenschaft der Kleidermacher in Wien, registrierte Hilfs Casse“, die ihn als Sommerfrische-Quartier nutzte.
In der Edlitzer Chronik finden sich dazu schöne und lebendige Erinnerungen von Maria Schmelhaus: „In kurzer Zeit wurde aus dem Heim eine tschechische Niederlassung. Es wimmelte von Familien Wanicek, Simecek, Wilcek, Surbeck, Korinek und Vescek. Es waren alles vermögende Leute und für die Edlitzer Geschäftsleute nicht von Schaden. Wenn wir manchmal abends beim ‚Sandhof‘, so hieß der Besitz, vorbeigingen, war alles mit Lampions beleuchtet und aus den Grammophonen ertönten die böhmischen Märsche und Lieder und die Kegelbahn war ständig in Betrieb. Manch armer Bub hat sich da mit dem Kegelsetzen in den Schulferien ein schönes Stück Geld verdient und dazu ein gutes Jausenbrot. Die Böhmen waren nicht knauserig, sie ließen in ihrer überschäumenden Urlaubsfreude auch das arme Volk leben. Die Damen freuten sich, wenn man sie als gnädige Frau ansprach und auch die Hand küsste.“ (siehe: Edlitz – Unsere Heimatgemeinde, Band 2, ab Seite 716).

Farbe und Leben

Diesen lebensfrohen Geist der Sommerfrische versuchte unser Fotograf Markus Steinbichler noch einmal in den „Lost Place“ Sandhof zu bringen. Die leeren Räume und kahlen, teilweise rußgeschwärzten Wände könnten ruhig ein bisschen Farbe und Leben vertragen, so seine Überlegung. Unterstützung bekam er dabei von Anna Maria Handler aus Bromberg – auch sie erkundet in ihrer Freizeit gerne die Umgebung mit der Kamera und liebt es dabei besonders, die Geschichten zu den Orten herauszufinden. Eine andere Leidenschaft von ihr ist die Mode der vergangenen Zeit, vorzugsweise die der 1940er- und 50er-Jahre. Bilder und Gedanken ihres Vintage-Alter-Egos „Froilein Anna“ findet man auf Instagram unter @froilein_anna. So entstanden bei einem gemeinsamen Fotoshooting im Sandhof diesmal etwas andere „Bucklige Zeitreisen“-Motive. Und weil das Gebäude – das ist eben manchmal der Lauf der Zeit – weichen muss, ist es umso wichtiger, die Geschichte und Geschichten drumherum weiterzuerzählen und den Ort in Bildern festzuhalten. Dies ist zumindest Steinbichlers Auffassung, und so schließt er auch optimistisch: „Vielleicht werden schon bald neue Bewohner an diesem Ort Gartenpartys mit Musik und Spielen feiern und ihn wieder mit Leben erfüllen – und das nicht nur im Sommer!“

Aufruf:
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Fotos: Steinbichler