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Wer als Musiker erfolgreich werden will, braucht vor allem eines: reiche Eltern. Diese Hypothese ist nicht von mir, ich habe sie irgendwo gelesen und gefladert. Ich finde sie interessant, diskutierenswert und, no na, leider wahr. Musik und Kultur sind nicht nur in unserem Land zu einer Art Luxusgut geworden. Der Unterricht wird teurer, dafür verdienen die Lehrer weniger. Logisch. Förderungen bewegen sich landesweit gesehen im Nullkommazweibereich. Politik sieht die Kunst als Anhängsel, als Blinddarm sozusagen. Auf vielen Ebenen wird dieser Wurmfortsatz schlichtweg gekürzt, wenn nicht gar weggeschnitten. Musikstunden werden gestrichen, Musikschulen zusammengekürzt und kleingespart. Dabei ist bekannt, dass Musizieren so ziemlich jede Fähigkeit fördert: vom Sprachenlernen im Kleinkindalter über das vernetzte Denken bis hin zur lindernden Wirkung bei diversen Krankheitssymptomen im hohen Alter. (Das Video, in dem ein an Alzheimer Erkrankter plötzlich wieder Klavier spielt, ist vielleicht bekannt.) Aber wurscht – die Wahrheit kann einem Lobbyisten nichts anhaben. Die gute Nachricht daran ist, dass Kunst, wenn die gute Ausbildung zugrunde geht, nicht mehr von Können kommen muss. Welch eine Erleichterung. Solange man regelmäßig hochwertigen Müll auf TikTok hochlädt, hat man täglich die Chance, viral zu gehen. Weltberühmt in der Seifenblase. Das geht so schnell wie ein Lottogewinn. Früher wurde Influencer ein bisschen anders geschrieben und war noch eine Krankheit, heute ist das ein Beruf. Ausbildungsdauer: keine. Nachhaltigkeit: auch nicht. Platzt das in der Sonne schön funkelnde Schaumgebilde, wird einfach zur nächsten Plattform geflattert. Die wachsen ja auch wie die Schwammerl aus dem Boden. Apropos Boden: Wenn man dort dumpf aufklatscht, sollte man es filmen und hochladen. Es könnte der nächste Hit werden.

Herzlichst, Roman Josef Schwendt
brief@romanjosefschwendt.com