Regionsobfrau Michaela Walla, der bisherige Leader-Manager Franz Piribauer und sein Nachfolger Florian Kerschbaumer / Foto: Rehberger

So lange wie es die Leader-Region Bucklige Welt-Wechselland gibt, so lange gab es auch Franz Piribauer als Leader-Geschäftsführer. Ende April ging er nun in Pension, seine Nachfolge trat Florian Kerschbaumer an. Gemeinsam werfen sie einen Blick zurück auf über zwei Jahrzehnte Regionalförderung mit EU-Rückenwind und geben einen Ausblick auf aktuelle bzw. zukünftige Projekte.

Bote: Bevor wir über konkrete Projekte sprechen, stellt sich die Frage: Was ist bzw. was macht das Leader-Büro in Lichtenegg überhaupt?

Franz Piribauer: An sieben Tagen, je 24 Stunden arbeiten wir für die positive Entwicklung der Region. Unsere Hauptwerkzeuge sind dabei Telefon und Laptop. Das wichtigste ist die Kommunikation – mit Gemeinden, Förderwerbern, Förderstellen oder Interessensgruppen. Zum Aufgabengebiet eines Leader-Managers gehören unter anderem die Umsetzung und Weiterentwicklung der Lokalen Entwicklungsstrategie, die Führung der Vereinsgeschäfte, die Aufbereitung und Umsetzung der Beschlüsse des Vorstandes und des Projektauswahlgremiums, Projektmanagement (inkl. Projektberatung), Förderberatung, Projektcontrolling, Qualitätssicherung, die Koordination regionsüberschreitender Projekte, aber auch die Initiierung von Kooperationen, die Einbeziehung von Experten und Öffentlichkeitsarbeit.

Bote: Seit mehr als 20 Jahren ist die Bucklige Welt Leader-Region, wenige Jahre später kam auch das Wechselland dazu. Wie haben sich die Regionen miteinander entwickelt?

Piribauer: Aus den beiden Teilregionen wurde in den letzten Jahren eine verbindende Geschwisterregion. Wir haben vor allem im abgelaufenen Markenprozess viel dazugelernt, wie wir als Gesamtregion von unseren Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Teilregionen am besten profitieren können. 

Bote: Leader ist ein etwas abstrakter Begriff. Wenn man sich die Zahlen ansieht, dann wird es deutlicher: Zwei Millionen Euro an EU-Fördergeldern haben rund vier Millionen Euro an Projektinvestitionen ausgelöst. Welche Projekte waren das unter anderem?

Piribauer: In den vergangenen Perioden sind viele Projekte im Bereich Tourismus, Wirtschaft und Bildung umgesetzt worden. Die Schwerpunkte setzen dabei oft regionale Initiativen und Organisationen wie die Wirtschaftsplattform Bucklige Welt, die Arbeitsgruppe „Bildung wächst“ und die Tourismusdestination Wiener Alpen. Mit der Mitarbeitermarke „Deine Jobregion“ und anderen Projekten versucht die Region aus eigener Kraft, Entwicklungen anzustoßen, die unsere Region lebenswerter und wirtschaftlich erfolgreicher machen sollen.

Bote: Die Region Bucklige Welt-Wechselland ist bekannt dafür, dass sie besonders fleißig darin ist, das mögliche EU-Fördervolumen auszuschöpfen, und ist somit großer Profiteur dieser Förderschiene für den ländlichen Raum. Dennoch ist in den Köpfen der Menschen kaum präsent, wie viel EU in der Region steckt. Warum ist das so?

Piribauer: Die EU wird von vielen Seiten gerne als Sündenbock für diverse Fehlentwicklungen herangezogen, oft (aber nicht immer) zu Unrecht. Dennoch bedeutet die Unterstützung der EU durch das Leader-Programm, dass jeder und jede in unserer Region von einem gemeinsamen Europa profitieren kann. 

Florian Kerschbaumer: Einer unserer Schwerpunkte in der zukünftigen Arbeit wird sicher der Ausbau unserer Öffentlichkeitsarbeit sein, wo wir versuchen werden, auch die jüngeren Generationen anzusprechen.

Bote: In über 20 Jahren als Leader-Manager erlebt man wohl so einiges. Was waren Ihre persönlichen Highlights?

Piribauer: Die Entwicklung und Umsetzung der Projekte: Marke Bucklige Welt, Gemeinsamer Advent, Sooo gut schmeckt
die Bucklige Welt inkl. der Schaubetriebe, die Businesspartys der Wirtschaftsplattform Bucklige Welt, der Demografie-Check mit Rainer Münz, Bildung wächst mit Richard David Precht, Gerald Hüther oder Manfred Spitzer, das Keltendorf Schwarzenbach oder die Zinnfigurenwelt Katzelsdorf, die Wexl Trails in St. Corona oder die Hermannshöhle in Kirchberg am Wechsel, aber natürlich auch die Zeitgeschichteprojekte mit der Herausgabe der Regionsbücher, das EU-Agrarministertreffen in der Region und durch diverse Initiativen die Förderung der regionalen Identität.

Bote: Förderung bedeutet Bürokratie. Wie kann man sich die Arbeit im Leader-Büro vorstellen und wie hat sich diese in den mehr als 20 Jahren verändert?

Piribauer: Der bürokratische Aufwand, der hinter der erfolgreichen Umsetzung eines Leader-Projekts steckt, ist wahrlich nicht zu unterschätzen – so manch Projektträger kann ein Lied davon singen. Doch gerade hier können wir im Regionsbüro unterstützen und die Förderwerber durch den Dschungel der Leader-Regeln leiten und Tipps für eine ressourcen- und nervenschonende Projektabwicklung geben. Die letzten zwanzig Jahre haben immer mehr an Bürokratie gebracht. In der neuen Periode ist seitens des Ministeriums der Schritt in Richtung Digitalisierung gesetzt worden, der nach einer anfänglichen Lernphase eine Erleichterung für alle Förderwerber bringen wird. 

Bote: Was förderbar ist, wird für die jeweilige Leader-Förderperiode grob vorgegeben. In welche Richtung entwickeln sich diese Vorgaben?

Piribauer: Die Lokale Entwicklungsstrategie hat vier Aktionsfelder, in denen sich die Region weiterentwickeln möchte. Aktionsfeld 1 betrifft die Steigerung der Wertschöpfung: Hier geht es um die wirtschaftsorientierten Projekte, die dazu beitragen, dass mehr Wertschöpfung in der Region entsteht, sei es durch Tourismus, Landwirtschaft oder andere Wirtschaftszweige. Aktionsfeld 2 hat die Festigung oder nachhaltige Weiterentwicklung der natürlichen Ressourcen und des kulturellen Erbes in der Region zum Ziel. Hinter dem sperrigen Titel versteckt sich der Anspruch, die regionale Natur- und Kulturlandschaft zu schützen und Kunst und Kultur in der Entwicklung zu unterstützen bzw. kulturhistorisches Potenzial zu heben und zu bewahren. Aktionsfeld 3 betrifft die Stärkung der für das Gemeinwohl wichtigen Strukturen und Funktionen: ein recht sperriger Titel, bei dem wir in der Region vor allem dem Thema Bildung einen sehr hohen Stellenwert einräumen, worin auch die Themen Soziales, Generationen und regionale Identität ihren Platz haben. Im Aktionsfeld 4 geht es um Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel: Erstmals besteht in der aktuellen Periode auch die Möglichkeit, Projekte, die dem Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel dienen, zu unterstützen. Hier arbeiten wir im Regionsbüro eng mit KEM und KLAR! zusammen.

Bote: Ihr Vorgänger war mehr als 20 Jahre lang die Ansprechperson für Förder-Anliegen aus den Gemeinden; jetzt gibt es einen „Neuen“. Haben Sie sich in Ihre neue Aufgabe schon eingefunden?

Kerschbaumer: Nachdem ich seit 2007 – mit einer Unterbrechung – im Regionsbüro Bucklige Welt-Wechselland tätig sein darf, bin ich mit dem Aufgabengebiet und den Rahmenbedingungen, vor allem aber mit den handelnden Personen, bereits sehr gut vertraut. In den letzten Jahren konnte ich mehrere Leader-Projekte von Beginn an betreuen und bei deren Umsetzung federführend mitwirken. In dieser Zeit konnte ich viel von „Piri“ lernen. Insbesondere seine Art, sich für Projekte und Projektträger mit aller Geduld und Beharrlichkeit einzusetzen, möchte ich gerne für mich übernehmen.

Bote: Wenn jemand eine Leader-Förderung beantragen möchte, wie funktioniert das?

Kerschbaumer: Grundlage für eine Förderung ist, dass das Projekt einen Beitrag zur Umsetzung der lokalen Entwicklungsstrategie (LES) unserer Leader-Region leistet. Diese ist auf der Website der Region www.buwela.at abrufbar. Erster Ansprechpartner ist daher immer das Leader-Büro in der Region vor Ort. Die Inhalte und das Ziel eines Leader-Projektes entscheiden über den anzuwendenden Fördersatz. Zusätzlich muss jeder Förderwerber finanzielle Eigenmittel für ein Leader-Projekt aufbringen. Die Einreichung bei der Förderstelle (Land NÖ) funktioniert dann über die digitale Förderplattform (DFP) während eines Aufrufs zur Projekteinreichung. Die Aufrufe sind auf www.buwela.at ersichtlich. Für das regionale Projektauswahl-Gremium (PAG) müssen die Förderanträge insoweit vollständig vorliegen, dass sie einer Bewertung auf Basis der in der LES festgelegten Auswahlkriterien unterzogen werden können.

Bote: Was sind die aktuellen bzw. kommenden wichtigsten Leader-Projekte für die Region?

Kerschbaumer: Zum einen ist das „Bildung wächst“, das Projekt befindet sich bereits in Projektphase 4 mit Schwerpunkten zur Persönlichkeitsentwicklung und einem sicheren Umgang in der digitalen Welt für unsere Kinder und Jugendlichen. Im Tourismus werden wir in den kommenden Monaten daran arbeiten, mit neuen Werbemitteln im neuen Markenauftritt die Region zu bewerben. Beim Thema Mobilität planen wir einen Schwerpunkt in Richtung Bewerbung des öffentlichen Verkehrs bzw. der sanften Mobilität.

Piribauer: Weitere Projekte werden sich mit der Grobplanung des Breitbandausbaus in der Peripherie befassen sowie mit der weiteren Ausrollung der drei Marken Bucklige Welt, Wechselland und Bucklige Welt-Wechselland. Auch mit den Erlebnisregionsbetreuerinnen besteht ein engerer Kontakt, sie sind viel in der Region unterwegs und sammeln spannende touristische Ideen und in diese Richtung wird es ebenfalls neue Projekte geben.

Bote: Eine abschließende Frage an den Neo-Pensionisten: Was wäre für Sie, nach 20 Jahren LEADER-Erfahrung, ein Wunsch-Regionsprojekt, das noch nicht realisiert wurde, aber Ihrer Meinung nach noch in die Tat umgesetzt werden sollte?

Piribauer: Meine Vision für die Region lässt unter dem Motto „Bucklige Welt-Wechselland: die familienfreundlichste Region der Welt“ zusammenfassen, mit universellen Werten und im Dienste der Freiheit aller Menschen.

Alles Gute lieber Piri!
Auch wir vom „Boten“ wünschen Franz Piribauer alles Gute für die Pension und natürlich viele spannende Erlebnisse in der Region, die er nun ganz privat entdecken kann. Und natürlich viel Zeit in seinem Atelier! Wir freuen uns schon darauf, neue Kunstwerke und -projekte im „Boten“ präsentieren zu können.