Opern­ball-Che­fin Maria Groß­bau­er auf der gro­ßen Fest­stie­ge Foto: Wie­ner Staats­oper / Micha­el Pöhn 

Als Grenz­gän­ge­rin zur Buck­li­gen Welt ver­brach­te die heu­ti­ge
Opern­ball-Che­fin Maria Groß­bau­er ihre Kind­heit in Gra­fen­bach-St. Valen­tin. Bis heu­te hat sie ihren Bezug zur Hei­mat nicht ver­lo­ren, obwohl sie neben ihrer Tätig­keit als Orga­ni­sa­to­rin der wohl bekann­tes­ten Ball­ver­an­stal­tung der Welt auch noch eini­ge ande­re Din­ge unter einen Hut brin­gen muss. Wel­che das sind, ver­rät sie im Inter­view mit der BOTIN.

Botin: Wie wird man Opernball-Chefin? 

Maria Groß­bau­er:Soweit ich weiß, gibt es kein eige­nes Hoch­schul­stu­di­um für Opern­ball-Orga­ni­sa­to­rin­nen! Scha­de eigent­lich. Einen klas­si­schen Weg, die­se Funk­ti­on irgend­wann aus­fül­len zu dür­fen, sehe ich nicht. Die Auf­ga­ben in die­ser wahr­lich beson­de­ren Posi­ti­on sind viel­fäl­tig. Sie erfor­dern eine gro­ße Lie­be zur Wie­ner Staats­oper, zu ihrer Geschich­te und vor allem zu den Küns­ten und Künst­lern des Hau­ses. Es ist groß­ar­tig, einen Ball zu Ehren die­ser Kunst­stät­te und sei­ner Sän­ger, Musi­ker, Diri­gen­ten etc. zu gestal­ten. Ich bin sehr dank­bar dafür, dass mich Direk­tor Domi­ni­que Mey­er ein­ge­la­den hat, die­se fan­tas­ti­sche Auf­ga­be zu über­neh­men und ich somit bereits den vier­ten Opern­ball orga­ni­sie­ren darf. 

War das immer schon ihr Traum? 

Ich bin mit der Wie­ner Staats­oper seit jeher eng ver­bun­den, denn ich durf­te schon als Kind die­ses beson­de­re Haus und die Men­schen, die dar­in wir­ken, erle­ben. Mein Vater, er war Mit­glied der Wie­ner Phil­har­mo­ni­ker, hat mich oft zu den Pro­ben mit­ge­nom­men. So konn­te ich schon früh inmit­ten der welt­bes­ten Musi­ker vie­le ein­ma­li­ge Erfah­run­gen sam­meln. Heu­te an die­sem Ort arbei­ten zu dür­fen und das prunk­vol­le Haus in einen der schöns­ten Ball­sä­le der Welt zu ver­wan­deln ist schon ein wah­rer Traum!

Wel­che Vor­aus­set­zun­gen muss man mitbringen? 

Die aller­meis­ten Leu­te sehen kla­rer­wei­se nur das End­ergeb­nis des Bal­les: eine unter­halt­sa­me, leicht­fü­ßi­ge Ver­an­stal­tung, die auf allen Ebe­nen nur den höchs­ten Qua­li­täts­stan­dards gerecht wird – und das ist auch gut so. Dahin­ter steckt aller­dings unfass­bar viel har­te Arbeit, die Krea­ti­vi­tät, Ein­falls­reich­tum, Orga­ni­sa­ti­ons­ta­lent, Ver­hand­lungs- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­schick erfor­dert. Vor allem aber die Lie­be zum Detail.

Wie lan­ge dau­ert die Vor­be­rei­tung für den Ball der Bälle? 

Nach dem Ball ist vor dem Ball! Bereits am Tag nach dem Opern­ball tru­deln ers­te Mails im Opern­ball­bü­ro ein mit der Bit­te, Kar­ten und Logen zu reser­vie­ren, mit Koope­ra­ti­ons­an­fra­gen und eben­so Mails begeis­ter­ter jun­ger Men­schen, die sich für das Eröff­nungs­ko­mi­tee anmel­den wol­len. Für ein Fest die­ser Grö­ßen­ord­nung braucht es tat­säch­lich ein Jahr, um alles zu organisieren. 

Wie vie­le Men­schen sind damit beschäftigt? 

Am Ball­abend selbst befin­den sich 7.230 Men­schen im Opern­haus, davon sind 5.150 Gäs­te, der Rest Mit­ar­bei­ter. Etwa 150 Musi­ke­rin­nen und Musi­ker bemü­hen sich um die musi­ka­li­sche Unter­hal­tung, rund 320 Per­so­nen um die Bewir­tung der Ball­gäs­te. Zuvor wird die Oper von 350 Fach- und 150 Hilfs­kräf­ten inner­halb von 30 Stun­den zu einem der schöns­ten Ball­sä­le der Welt umge­baut. Etwa 50 Fir­men sind jedes Jahr dar­an beteiligt. 

Was macht beson­de­ren Spaß, und was sind die gro­ßen Herausforderungen? 

Es ist wun­der­voll zu sehen, wie Ideen zunächst auf Papier ver­ewigt und dann in die Rea­li­tät umge­setzt wer­den. Dafür braucht es vie­le schlaue Köp­fe, Fach­wis­sen aus den ver­schie­dens­ten Abtei­lun­gen und zahl­lo­se hel­fen­de Hän­de. Das Opern­ball-Team arbei­tet wie ein Uhr­werk, in dem letzt­lich jedes Zahn­rad inein­an­der­greift. Das ist jedes Mal aufs Neue fan­tas­tisch zu sehen! Die gro­ße Her­aus­for­de­rung ist, bei den unzäh­li­gen klei­nen und gro­ßen Auf­ga­ben das gro­ße Gan­ze und den Zeit­plan nicht aus den Augen zu verlieren. 

Gab es dabei auch lus­ti­ge Hoppalas? 

Bei aller Ernst­haf­tig­keit, die eine Ver­an­stal­tung die­ser Grö­ßen­ord­nung in der Pla­nung und Orga­ni­sa­ti­on ver­langt, kommt der Spaß natür­lich nicht zu kurz. Klar gibt es da und dort Hop­pa­las. Vie­le Mona­te vor dem letz­ten Opern­ball etwa habe ich in einer Bar in der Wie­ner Innen­stadt einen Pia­nis­ten spie­len gehört, der fan­tas­tisch war! Ich dach­te, er müss­te zumin­dest ein­mal im Leben im Rah­men des Opern­balls in der Wie­ner Staats­oper auf­tre­ten. Dar­auf ange­spro­chen war er sehr begeis­tert, eröff­ne­te mir aber, dass er seit 28 Jah­ren Kor­re­pe­ti­tor an der Bal­lett­aka­de­mie der Wie­ner Staats­oper ist. Da hat­te wohl schon jemand vor mir sein Talent erkannt!

Wie bringt man die Vor­be­rei­tung für den Opern­ball und alle ande­ren beruf­li­chen Din­ge unter einen Hut? 

Wenn man mit viel Lei­den­schaft an sei­ne Auf­ga­ben her­an­geht, dann gehen sie einem auch leicht von der Hand. Aber es stimmt schon, dass es eine umfas­sen­de Logis­tik und eine gute Orga­ni­sa­ti­on erfor­dert, um mein poli­ti­sches Amt als Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te und die Lei­tung des Wie­ner Opern­balls unter einen Hut zu bekom­men. (Anm.: Das Inter­view wur­de im Sep­tem­ber geführt. Zu die­sem Zeit­punkt war noch nicht sicher, ob sie nach der Wahl Abge­ord­ne­te im Natio­nal­rat bleibt.) Zudem bin ich Mut­ter eines 5‑jährigen Soh­nes. Da wer­den die Tage akri­bisch durch­ge­plant und nicht sel­ten durch spon­ta­ne Neue­run­gen und Erfor­der­nis­se gänz­lich über den Hau­fen geschmis­sen. Da braucht es schon eine gewis­se Fle­xi­bi­li­tät und vor allem Ausdauer!

Was gehört beim Opern­ball zu Ihren Aufgaben? 

Ich bin für die Kon­zep­ti­on, die gestal­te­ri­sche Aus­rich­tung und die Orga­ni­sa­ti­on des Balls zustän­dig. Bei all mei­nen Bäl­len zieht sich das Cre­do „Alles Oper!“ wie ein roter Faden durch die Ball­nacht. Jedes Jahr rücken ande­re Zita­te aus unter­schied­li­chen Opern in den Fokus, die sich in der Kuli­na­rik, den Blu­men­ar­ran­ge­ments, Deko­ra­tio­nen, Ball­spen­den etc. wie­der­fin­den. Die Komi­tee-Aus­wahl obliegt eben­so mir wie die Wahl der Musik­stü­cke für die Eröff­nungs­cho­reo­gra­fien der Debü­tan­tin­nen und Debü­tan­ten und jene der lei­ten­den Tanz­schu­le. Ich arran­gie­re Koope­ra­tio­nen und schlie­ße Ver­trä­ge mit dut­zen­den Opern­ball-Part­nern ab. Bei­spiels­wei­se habe ich lan­ge davon geträumt, ein begeh­ba­res ech­tes Leb­ku­chen­haus in Anleh­nung an die Oper Hän­sel und Gre­tel am Opern­ball zu prä­sen­tie­ren. Dazu habe ich im letz­ten Jahr Fami­lie Pir­ker aus Maria­zell mit ihrem köst­li­chen Leb­ku­chen und die jun­ge Büh­nen­bild­ne­rin Agnes Hasun zusam­men­ge­führt, die gemein­sam ein zau­ber­haf­tes Leb­ku­chen­haus gebaut haben. Der Duft des Hau­ses nahe dem Ball­saal war umwer­fend. Ich gestal­te auch das kuli­na­ri­sche Ange­bot, das weit mehr als Gulasch und Würs­tel zu bie­ten hat! Und auch das musi­ka­li­sche Ange­bot ver­än­dert sich ste­tig! 24 Musik­grup­pen wer­den von mir aus­ge­sucht und koor­di­niert, um an den ver­schie­dens­ten Schau­plät­zen im Haus den Opern­ball zu einem klin­gen­den Fest zu machen! Eben­so steht die Orga­ni­sa­ti­on zahl­rei­cher Side-Events, wie bei­spiels­wei­se der Mode-
event Cou­ture Salon, auf mei­ner Agen­da-Lis­te. Gleich­zei­tig ist es mir wich­tig, jedes Jahr Mög­lich­kei­ten zu fin­den, für kari­ta­ti­ve Zwe­cke Geld zu sam­meln, durch eige­ne Ver­an­stal­tun­gen oder Benefizverkäufe. 

Bleibt da über­haupt noch Zeit für einen Aus­gleich zur Arbeit?

Alle Auf­ga­ben unter einen Hut zu brin­gen ist schon for­dernd. Aber um leis­tungs­fä­hig und gesund zu blei­ben, muss man auch sehr bewusst auf sich schau­en, und das bedeu­tet, sich ab und an klei­ne­re Aus­zei­ten zu neh­men. Eine Run­de lau­fen gehen, ein gutes Buch lesen, ein klas­si­sches Kon­zert besu­chen, Pas-ta kochen und mit der Fami­lie genie­ßen oder zwei Tage Tape­ten­wech­sel in Vene­dig. All das lie­be ich sehr und brau­che ich, um mir einen ent­spre­chen­den Aus­gleich zu schaffen. 

Wel­ches ist Ihr „Lieb­lings­plat­zerl“ am Opernball? 

Ehr­li­cher­wei­se gibt es so vie­le tol­le Plät­ze, dass ich bis mor­gens früh um 5 Uhr im gan­zen Opern­haus unter­wegs bin, um alle Bars, Salons, Tanz- und Kuli­na­rik­be­rei­che zu sehen. Nach all den Vor­be­rei­tun­gen und Anstren­gun­gen ist es schön, aller­orts Men­schen zu sehen, die sich bes­tens unterhalten. 

Ist es für Sie anstren­gend, im Ram­pen­licht zu stehen? 

Die Auf­ga­be als Orga­ni­sa­to­rin des Opern­balls bringt eben­so wie jene als ÖVP-Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te und Kul­tur­spre­che­rin eine gewis­se Öffent­lich­keit und media­le Prä­senz mit sich, die ich ger­ne nut­ze, um von der Beson­der­heit des Opern­hau­ses und des Balls zu berich­ten, aber auch, um mei­ne Anlie­gen in Sachen kul­tu­rel­ler und musi­ka­li­scher Bil­dung zu ver­mit­teln. Ich hal­te es für enorm wich­tig, Men­schen für Kul­tur zu begeis­tern. Inso­fern nut­ze ich dazu ger­ne das soge­nann­te „Ram­pen­licht“. Aber auch, um Frau­en zu ermu­ti­gen, selbst­be­wusst ihre Ideen und Vor­stel­lung zu ver­wirk­li­chen und Träu­me zu leben!

Tan­zen Sie ger­ne – auch am Ball? 

Oh ja, ich wer­de am Opern­ball immer wie­der zum Tanz auf­ge­for­dert! Egal ob im gro­ßen Ball­saal zur Big­band, in der Dis­ko zu feins­tem DJ-Sound oder beim Heu­ri­gen zu tra­di­tio­nel­len Volks­mu­sik­klän­gen – bei guter Musik kann man ohne­hin kaum die Bei­ne still­hal­ten. Der letz­te Tanz des Abends gehört aller­dings immer mei­nem Mann. Da tan­zen wir dann um 5 Uhr mor­gens im Ball­saal zum letz­ten Lied der Ball­nacht, zu „Brü­der­lein fein“. Das ist jedes Jahr ein ganz beson­de­rer Abschluss einer sehr beson­de­ren Nacht.

Wie viel „Lear­ning by Doing“ steckt in der Ball-Organisation? 

Zu Beginn steht man vor einem rie­si­gen Berg, den man erst­mals erklim­men muss. Aber wenn man den Gip­fel ein­mal erreicht hat, kennt man den Weg. Mit jedem Ball gewinnt man an Rou­ti­ne. Man weiß, wie das Uhr­werk tickt, man kennt die Men­schen im Haus, die Agen­den und den opti­ma­len Zeit­plan. Das ver­ein­facht die Orga­ni­sa­ti­on und bie­tet gleich­zei­tig die Mög­lich­keit, Ener­gien und Ideen in noch mehr Details zu ste­cken, sich noch mehr krea­tiv aus­zu­to­ben. Ganz beson­ders wich­tig ist natür­lich mein klei­nes, fei­nes Team: Wir sind zusam­men­ge­wach­sen wie eine Familie.

Noch dazu bei so einem Event, auf das die gan­ze Welt schaut. Kommt Ihnen ihr „jugend­li­ches“ Alter dabei zugute?

Ich glau­be, gute Ideen und Lei­den­schaft für eine Sache sind kei­ne Fra­ge des Alters! Der Taten­drang ist viel­leicht in jün­ge­ren Jah­ren ein ande­rer. Ich fin­de es wich­tig, bei einer Ver­an­stal­tung wie dem Opern­ball eine Balan­ce zwi­schen Tra­di­tio­nen und Moder­ne zu schaf­fen. Nicht alles krampf­haft zu moder­ni­sie­ren, was alt­be­währt ist, und gleich­zei­tig den Ball zu einer zeit­ge­mä­ßen Ver­an­stal­tung zu machen, um erfolg­reich zu sein. Dazu muss man oft alte Struk­tu­ren auf­bre­chen und sich trau­en, Din­ge anders zu machen als in den letz­ten 30 Jah­ren. Da tut man sich in jün­ge­ren Jah­ren ver­mut­lich leichter.

Glau­ben Sie, dass Sie fri­schen Wind in den Opern­ball gebracht haben?

Wenn man eine sol­che Auf­ga­be über­nimmt, ist man natür­lich vol­ler Respekt für die bis­he­ri­ge Geschich­te die­ser welt­be­kann­ten Ball­ver­an­stal­tung. Gleich­zei­tig bie­tet sich einem eine beson­de­re Gele­gen­heit, sei­ne eige­ne Hand­schrift hier erkenn­bar wer­den zu las­sen. Die Reso­nanz und die vie­len posi­ti­ven Rück­mel­dun­gen der Gäs­te bestä­ti­gen mich in mei­ner Arbeit. Die Nach­fra­ge nach Logen und Kar­ten wird stets grö­ßer, die War­te­lis­ten wer­den von Jahr zu Jahr län­ger. Ich den­ke, als Nächs­tes soll­ten wir über­le­gen, das Opern­haus aus­zu­bau­en – bes­ten­falls auf Sta­di­ongrö­ße, dann soll­ten alle Gäs­te Platz finden!